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Im Swimmingpool der Zeit

Blasen blubbern in dickflüssigen Gewässern: Heute Abend schreddert Der Schwimmer im Pfefferberg an der Grenze zwischen Pop und Lo-Fi-Elektronik und verbindet österreichische Befindlichkeiten mit dem amerikanischen Traum

Manchmal reicht die Durchquerung der Swimmingpools der Reichen und Schönen, um zu merken, dass der amerikanische Traum nicht mehr als eine Chimäre ist. So wie in Frank Perrys Verfilmung von John Cheevers Kurzgeschichte „The Swimmer“ (1968), in der Burt Lancaster den wohlhabenden Neddy Merrill spielt. Nach einer durchzechten Nacht bei Freunden will der beliebte Neddy von Pool zu Pool nach Hause schwimmen. Die ersten Episoden sind noch fröhlich und launig. Doch je näher er seinem Heim kommt, desto mehr verstören ihn die gemachten Erfahrungen. Am Ende seines Parcours ist Neddy sich seines bisherigen Lebens nicht mehr gewiss, und in seiner Person demontiert der Film das Ideal des American Dream.

Es ist dieser Film, der einen Wiener Musiker dazu bewogen hat, sich „Der Schwimmer“ zu nennen und auch ein Album mit demselben Titel herauszubringen. Früher spielte Der Schwimmer, der seinen bürgerlichen Namen nicht preisgibt, mit seinen Bands Punk, später beschallte er die Wiener Kunstszene mit avantgardistischem Trash, was er selbst bezeichnet als „eine Österreich-Aufarbeitung im Sinne von Qualtinger und der Wiener Gruppe“.

Inzwischen schreddert er an der Grenze zwischen Pop und Lo-Fi-Elektronik und verbindet auf „The Swimmer“ österreichische Befindlichkeiten mit dem Leben von Neddy Merrill. Die Verbindung ist für ihn klar: In beiden Fällen tun sich Abgründe auf. In seinen Songs spiegelt Der Schwimmer die unterschiedlichen Stimmungen des Films, mit einem leichten melancholischen Überhang. Zunächst fröhlich gibt eine akustische Gitarre ein Riff vor, während sie später monoton Resignation ausdrückt. Die Pattern des betagten 303- Schlagzeugcomputers blubbern schwer wie Blasen in dickflüssigen Gewässern, um an anderer Stelle fast an das klirrende Eis von Breakbeats zu erinnern – wäre da nicht der altertümliche Sound der Maschine.

Gerne lässt Der Schwimmer die Stücke dubbig ausklingen, und gern spendet er eine Orgel Fülle und generiert Dynamik. Dazu mischt er gedämpft schleifende, pfeifende und zirpende Elektronik, als gelte es die Textzeile zu illustrieren: „I know just what your noises are / I hear them through the bedroom door“. Die Atmosphären der Songs wechseln zwischen der unfreiwilligen Schwermut von Jahrmarktsmusik und Barjazz, und mit sperriger Stimme beklagt Der Schwimmer die Routine seiner bürgerlichen Fassade.

Was ihn wiederum von Neddy Merrill unterscheidet, der ja seine Eskapaden (Affären, schmutzige Geschäfte etc.) gerade im Schutz seiner gesellschaftlichen Stellung beging. Auf seiner Platte interpretiert Der Schwimmer vielmehr die implizite Gesellschaftskritik des Films und vereint sie in einer neuen Person.

So schwimmt er sich frei und rechtfertigt seinen Kunstgriff mit einem gelungenen Stück Unterhaltung. Erst Filmvorführung, dann Konzert – in unserem Ausguck sehen wir einen schönen Abend in den Sesseln des Goldmund. Schwimmer ahoi, wir grüßen vom Poolrand!

OLIVER SCHULZ

Heute, 20 Uhr im Goldmund im Pfefferberg Filmvorführung, 22 Uhr Konzert

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