: Kosovos Kampf um eine Koalition
Um regieren zu können, muss der gemäßigte Expräsident Ibrahim Rugova eine Koalition eingehen. Doch die Fraktionen der Albaner sind zerstritten. Und ein Zusammengehen mit den Serben brächte Rugova im eigenen Lager in Schwierigkeiten
von ERICH RATHFELDER
Noch ist die Entscheidung über eine Regierungsbildung im Kosovo nicht gefallen. Doch die Zeit drängt, denn am 10. Dezember soll das Parlament zum ersten Mal zusammentreten. Das Wahlergebnis macht es den Parteien und ethnischen Gruppen schwer, einen Kompromiss zu finden. Zwar konnte die im Ausland als „gemäßigt“ eingestufte „Demokratische Liga Kosova“ die Wahlen mit 45,6 Prozent gewinnen, doch die 47 Sitze für die Partei des ehemaligen Präsidenten der Albaner des Kosovo, Ibrahim Rugova, reichen in dem 120 Sitze umfassenden Parlament nicht aus, um allein zu regieren. Nicht einmal die Wahl Rugovas zum Präsidenten ist gesichert. Es sind Partner nötig.
Doch das ist nicht so einfach. Denn einer der möglichen Koalitionspartner, die „Allianz für die Zukunft Kosova“ (AAK) des ehemaligen Kriegshelden der UÇK- Befreiungsarmee, Ramush Harandinaj, der sich mit einer Gruppe hochkarätiger Experten umgeben hat, gewann nur 7,8 Prozent der Stimmen und stellt nur acht Abgeordnete. „Zu wenig, um eine stabile Regierung zu bilden, wir brauchen mehr als 60 Sitze“, sagt LDK-Mitglied Bujar Bukoshi, Expremier Kosovos im deutschen Exil und Favorit für dieses Amt im neuen Kosovo. Das reicht selbst dann nicht, wenn noch Abgeordnete der Minderheiten, so der Muslime, Roma oder Türken, für die Regierung gewonnen würden.
Blieben noch die Alternativen, mit der serbischen Koalition „Povretak“ oder der „Demokratischen Partei“ ( PDK) des früheren UÇK-Führers Hashim Thaci zu koalieren. Bei der UN-Verwaltung im Kosovo, der Unmik, der OSZE und den Nato-Truppen im Lande ginge ein Wunschtraum in Erfüllung, sollte es zu einer Koalition der Rugova-Partei mit den Serben kommen. Dann könnte die gesamte Kosovo-Mission der internationalen Gemeinschaft als großer Erfolg dargestellt werden. Dann würden Albaner und Serben das Land in einem gemeinsamen Kosovo wieder aufbauen. Auch die Führung in Belgrad könnte diese Koalition als Erfolg verbuchen.
Rechnerisch ginge das zwar, denn die serbische Koalition „Povretak“ hat 11,3 Prozent der Stimmen gewonnen und verfügt nun wegen der zusätzlichen 10 Minderheitensitze über 22 Abgeordnete. Könnte die Rugova-Partei aber wirklich diesen Schritt wagen, ohne nicht sofort von den Opponenten im eigenen Lager ausgehebelt zu werden? In den Reihen der LDK spekuliert man deshalb schon über eine große Koalition mit Thaci und seiner PDK, die mit 25,7 Prozent und 26 Sitzen zweite Kraft ist.
Doch auch das ist nicht einfach. Hinderlich dabei sind gegenseitige Animositäten. Schließlich waren sich die Pazifisten der LDK und die Kämpfer der UÇK über Jahre spinnefeind, noch 1999 wurden einige LDK Mitglieder von UÇK-Kämpfern verfolgt und sogar ermordet. Rugova war in den Augen der UÇK ein Verräter an der Sache der Albaner, und Thaci wurde im Gegenzug von Rugova als ein Agent der Serben hingestellt.
Doch Rugova will auf Biegen und Brechen Präsident werden. Deshalb, so unken Beobachter in Priština, könnten die beiden doch zu einem Kompromiss gelangen. Rugova wird Präsident und Thaci Premier. Die LDK würde ihre führende politische Rolle beim Wiederaufbau des Landes verlieren. Und der Favorit auf dieses Amt, Bujar Bukoshi, der in den letzten Wochen den laschen Wahlkampf der LDK und das unkritische Jasagertum in der Partei gegenüber Rugova kritisiert hatte, würde ausgehebelt.
Nicht ganz ohne Schadenfreude bei Rugova. Denn die Kritik Buskoshis an ihm hat Spuren hinterlassen. Man könnte den Eindruck erlangen, Rugova täte alles, um Bukoshi zu verhindern, erklären Insider. Hinzu kommt, dass der Arzt und Exilpolitiker wegen seiner Überzeugungskraft und seiner Kompetenz in wirtschaftlichen und politischen Fragen bei den aktiven Mitgliedern der Partei über große Sympathie verfügt und zu einem ernsthaften Konkurrenten in der Partei aufgestiegen ist. Als Verwalter der von Exilalbanern aufgebrachten Unterstützungsgelder für das Kosovo – mehrere hundert Millionen Mark – ist Bukoshi andererseits mit Thaci verfeindet. Denn Bukoshi weigerte sich während des Krieges, die UÇK in größerem Umfang finanziell zu unterstützen. Im Gegenzug drohte die UÇK mit Anschlägen – auf ihn persönlich.
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