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Drei Kandidaten und eine Ente

Bei ihrem letzten gemeinsamen Auftritt vor dem CDU-Parteitag wollen Stoiber, Merkel und Schäuble über Europa reden. Doch für größeres Interesse sorgen die angeblichen Pläne der CSU für eine Unterschriftenaktion gegen das Zuwanderungsgesetz

von PATRIK SCHWARZ

Solange sie nicht über die „K-Frage“ reden müssen, ist den drei möglichen Kanzlerkandidaten der Union alles recht. Bei ihrem letzten gemeinsamen Auftritt vor dem CDU-Parteitag Anfang nächster Woche entdeckten Edmund Stoiber, Angela Merkel und Wolfgang Schäuble darum den Reiz der K-K-Frage.

Bei der von Stoiber ins Spiel gebrachten „Kompetenz-Kompetenz-Frage“ handelt es sich nicht um sprachliche Spaßmacherei, wie der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident die kichernden Zuhörer in der Bundespressekonferenz belehrte, sondern um ein Kernstück der Unionsvorschläge für einen Europäischen Verfassungsvertrag: Für die Verteilung der Kompetenzen zwischen Nationalstaaten und EU sollen die Mitgliedsstaaten zuständig sein. Zwar pries der ebenfalls anwesende bayerische Europaminister Reinhold Bocklet das 28-seitige Dossier einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von CDU und CSU mit dem Hinweis, „es ist bisher nichts Vergleichbares am Markt“. Doch tatsächlich erbrachte die Pressekonferenz vor allem den erneuten Beweis, dass die Union mit Sachthemen kaum durchdringt, solange die Kandidatenfrage ungelöst bleibt.

Längst hat sich die Obsession der Medien, aus kleinsten Gesten und Halbsätzen Rückschlüsse auf den aktuellen Stand im Kandidatenwettlauf zu ziehen, auf die Akteure selbst übetragen. Da dankt etwa Edmund Stoiber für die Erarbeitung des Papiers den „Herren Schäuble und Bocklet, Bocklet und Schäuble“ – auf dass ja die Balance zwischen CSU und CDU gewahrt bleibe. Andererseits hat der Bayer an diesem Tag selbst den Verdacht genährt, er wolle sein Profil für eine Kanzleranwartschaft schärfen. So berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf „einen hohen CSU-Politiker“, Stoiber plane eine Unterschriftenkampagne gegen das Zuwanderungsgesetz. „Eine Ente“, wie Stoiber nun erklärt. Dafür gebe es keine Pläne, allerdings wolle er sich nicht für alle Zukunft festlegen. Schließlich wollten drei Viertel der Deutschen weniger Zuwanderung, die rot-grüne Regierung samt PDS und FDP aber mehr. „CDU/CSU haben hier eine enorme Aufgabe.“

Schäuble wiederum gibt den Beobachtern Rätsel auf. Referiert er deshalb so gedankenversunken über Verästelungen des Institutionengefüges der EU, weil er zeigen will, dass ihn der Blick fürs große Ganze nicht mehr interessiert – also auch nicht die Kanzlerkandidatur? Oder lautet sein Plan gerade umgekehrt, sich zu empfehlen für KdK, eine Kanzlerschaft der Kompetenz? Merkel hätte er damit aus dem Feld geschlagen, ihre Einwürfe wirkten eher alibihaft.

Die Kriterien der Union für eine „Neubestimmung der Aufgaben“ in der EU hatten es jedenfalls schwer. Publikumsträchtig ist am ehesten eine Unterscheidung, die die Union beim Thema Zuwanderung vornimmt. Asylbewerber müssten auf ganz Europa verteilt werden, forderte Stoiber, damit Deutschland entlastet werde. Gleichzeitig möchte er verhindern, dass Menschen, die in andere EU-Staaten eingewandert sind, nach Gutdünken in die Bundesrepublik weiterziehen. Der grüne Minister Jürgen Trittin hatte am Vormittag verkündet, dass Stoiber eine ausländerfeindliche Ader habe, gehöre zur Geschichte der CSU. Der Geschmähte erklärt dazu, Trittin sei „nun wirklich keine Adresse, die ich ernst zu nehmen habe“.

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