: Im Zeichen der Frische
Herbie Hancock versteht Jazz weiterhin als Zukunftsmusik ■ Von Gerd Bauder
Hört man Future2Future, das just erschienene neue Album von Herbie Hancock, mag man kaum glauben, dass der Gute mittlerweile 61 Jahre alt ist. Mit geradezu jugendlicher Frische und Verve geht er da ans Werk und definiert einmal mehr sein Verständnis von Jazz: als ein aufregendes, grenzüberschreitendes Genre. Alles geht – Ambient, US-Techno, Drum'n'Bass, Rap und R'n'B. Aber eben nicht als beliebiger Stilmix, der womöglich sogar in Richtung Charts schielt, sondern immer vom Jazz aus gedacht – das heißt mit dem Wissen um die Wurzeln und Traditionen all dieser verwendeten Stile.
Zusammengetan hat er sich dazu mit Leuten, die ihrerseits als Grenzgänger und Freidenker bekannt sind: unter anderem mit dem Detroit-Techno-Übervater Carl Craig, der Bass- und Produzentenlegende Bill Laswell, dem crediblen Turn-tablisten bzw. DJ Rob Swift oder auch mit seinem, Hancocks, alten Saxophonkumpel Wayne Shorter. Das Ergebnis lässt sich hören. Future2Future ist eine Hancock'sche Bestandsaufnahme afro-amerikanischer Musik und gleichzeitig eine aktuelle Definition von Jazz: pulsierend, tanzbar, komplex wie die Postpostmoderne selbst und trotz des expliziten Wissens um all die Übel unserer Zeit nicht zuletzt ein lebensbejahendes und -freudiges Fest.
Dieses Fest Jazz, oder besser gesagt: Musik, mag es wohl sein, das den Pianisten und Keyboarder Hancock so unglaublich jung hat bleiben lassen, wie auf dem Cover von Future2Future zu bestaunen. Zur Erinnerung: 1960, mit gerade einmal 21 Jahren, unterschrieb Hancock einen Vertrag bei Alfred Lions Blue Note-Label, um nur drei Jahre später bei Miles Davis einzusteigen. Mit dessen legendärem Quintett schrieb er Musikgeschichte, als dieses die Grenzen des so genannten Modern Jazz auslotete. Wenige Jahre später, Modern Jazz stagnierte längst, ging er an der Seite Davis' erste Schritte Richtung Electric Jazz, den er dann Anfang der siebziger Jahre wesentlich mitprägte: Hancocks Headhunters wurde das erste mit Platin ausgezeichnete Jazz-Album und bewies zugleich die Vereinbarkeit von Kommerz und Kunst.
Diese Integrität hat sich Hancock immer zu bewahren gewusst. Seien es seine Rückbesinnungen auf den akustischen Jazz mit Wynton Marsalis oder Freddie Hubbard, seine Arbeiten für Film und Theater oder seine immer wieder überraschenden Pop-Erfolge, allen voran der Breakdance-Kracher „Rockit“ (1983), stets fand seine Musik aufgrund ihrer Originalität und ihres Geschmackes Anklang und zeugte außerdem von Hancocks stetiger Frische.
Frisch beziehungsweise fresh wird es wohl auch heute zugehen, wenn Hancock in Hamburg gas-tiert. Denn Hancock und seine vielköpfige Band – u.a. Terry Lynn Carrington (Drums), Matthew Garrison (Bass) und Luis Quintanella (Turntables) – werden nicht nur durch Spielfreude und Interaktion überzeugen, sondern versprechen zudem eine für Jazz ungewohnte Bühnenshow. Von Videoinstallationen war zu lesen und davon, dass „surrounding sounds“ in die Musik integriert werden sollen. Hancock selbst: „Die Musik ist anders als alles, was ich bisher gemacht habe – in der Tat, als ich bisher gehört habe. Es ist schwer zu beschreiben.“
Vielleicht ist es aber doch auch ganz leicht: Vielleicht ist es einfach Jazz. Musik, die geschieht, die fließt, die pulsiert, die das Haus rockt. Und die jung hält. Go for it, Herbie.
Donnerstag, 20 Uhr, Große Freiheit 36
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