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Lakonisches in Acryl

■ Drei ergraute Jungs von der „Neuen Frankfurter Schule“ kommen in Oldenburg zu musealen Ehren: „Dreitracht Frankfurt“

Spitzen-Marketing: Sich als kritische Erben der ohnehin schon kritischen Frankfurter Schule zu präsentieren. Als sich der Künstler-Zirkel aus dem Umfeld der 1962 gegründeten Satirezeitschrift „Pardon“ seit dem Erscheinen der Nachfolgerin „Titanic“ mit dem Label „Neue Frankfurter Schule“ schmückte, setzte sich dieses Etikett rasch durch.

Doch statt mit Philosophie und Sozialwissenschaften wollten Robert Gernhardt, Hans Traxler und F.K. Waechter – drei der acht Gründerväter der „Neuen Frankfurter Schule“ – mit Nonsens und Satire den Kampf gegen die Blödheit aufnehmen. Theodor W. Adorno, der als Großmeister der Frankfurter Schule und der Kritischen Theorie Cartoons oder Comics für manipulative Massenkultur und damit für Schund hielt, hätte das wohl nicht verstanden. Dass drei „neue“ Frankfurter jetzt im Oldenburger Kunstverein und im Museum für Kunst und Kulturgeschichte sogar zu musealen Ehren kommen, hätte den Liebhaber der Hochkultur erst recht entsetzt.

In der Ausstellung „Dreitracht Frankfurt“ sind derzeit Arbeiten von Robert Gernhardt, Hans Traxler und Bernd Pfarr zu sehen. Pfarr steht zwar in der Tradition der älteren Vertreter der „Neuen Frankfurter Schule“, fand aber zu einem eigenständigen Stil des Humors, der frei von politischen Ambitionen ist. Lakonisch präsentiert er abstruse Szenarien, etwa aus dem seltsamen Universum seiner bekanntesten Figur: Als seine Mutter auf Urlaub in der Toscana weilte, ging Sondermann mit Feuereifer daran, endlich seine verschissene Baumtrommel zu reinigen. Auch formal unterscheiden sich die Arbeiten Pfarrs von denen der älteren Frankfurter Cartoonisten, Illustratoren und Satiriker, die meist zu Zeichenstift und Karton greifen: Seine Darstellungen bringt er großformatig mit Acryl auf die Leinwand. Zwischen Pop Art und Expressionismus pendelnd, scheinen die Gemälde gut ins Museum zu passen – wenn da nicht diese seltsamen Untertitel und merkwürdigen Figuren wären.

Zwischen dem Amüsanten und dem Absurden bewegt sich auch der mittlerweile 70-jährige Hans Traxler. Auch er versteht es, den Witz im Witzlosen zu entdecken. Bischöfe im Hallenbad oder Holländer, die bei einer Sturmflut zuerst Mayo und Ketchup retten, bevölkern seine Bildergeschichten. Und ein Krokodil seufzt sein Nachtgebet: Und bitte, bitte, lieber Gott, lass doch recht bald eins von diesen vollbesetzten Touristenschiffen untergehen.

Von Robert Gernhardt, dem vielseitigsten Vertreter der „Neuen Frankfurter Schule“, der auch Filme, Romane, Gedichtbände oder Texte für Otto Waalkes schuf, sind in Oldenburg die „Sudelblätter“ zu sehen – 95 Illustrationen zu Georg Christoph Lichtenbergs „Sudelbüchern“. Mit einem dumm aus seiner Maske guckenden Zorro, der verdutzt zwei Katzen mustert, versieht Gernhardt einen Satz des Aphoristikers aus dem 18. Jahrhundert: Er wunderte sich, dass den Katzen gerade an der Stelle zwei Löcher in den Pelz geschnitten wären, wo sie die Augen hätten. Einige Illustrationen erweisen sich als kongenialer Kommentar zu Lichtenberg, andere sind nur eine grafische Doppelung der Vorlage.

Neben dem Lichtenberg-Zyklus zeigt die Ausstellung auch 30 Blätter von Gernhardt, die aus der Reihe „Vom Schönen, Guten, Baren“ stammen. Hier zeigt sich wieder der hintersinnige, den Nonsens streifende Humor, der die „Neue Frankfurter Schule“ seit fast vier Jahrzehnten auszeichnet. Das Verdikt von F. K. Waechter, „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche“, lässt sich auf diese Schule der Humoristen glücklicherweise nicht anwenden. Sie ergrauen in Ehren.

Peter Ringel

„Dreitracht Frankfurt“ im Kunstverein Oldenburg und im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte; bis 6. Januar.

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