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Nach dem Gift der Nebel

Im Prozess wegen der Vergiftung der ungarischen Theiß setzt die Verursacherfirma auf Verschleierung. Umweltschützer: Katastrophe könnte sich jederzeit wiederholen

BERLIN taz ■ Fast zwei Jahre nach dem Zyanidunfall im nordrumänischen Baia Mare hat in Budapest gestern der Prozess gegen das rumänisch-australische Bergwerksunternehmen Aurul begonnen. Dabei setzt die Firma offenbar auf eine Taktik der Verwirrung und Verzögerung. Vor dem Budapester Hauptstädtischen Gericht erschien allerdings gestern nicht der Aurul-Anwalt, sondern der Anwalt eines Unternehmens namens Transgold. Das Gericht vertagte daraufhin die Verhandlung und setzte eine Frist von zwei Monaten, um zu klären, ob Transgold der Aurul-Rechtsnachfolger sei.

In dem Prozess verklagt der ungarische Staat die rumänisch-australische Firma auf Schadensersatz in Höhe von 28,5 Milliarden Forint (230 Millionen Mark). Zuvor hatte das rumänisch-australische Unternehmen es abgelehnt, sich außergerichtlich zu einigen, und sich geweigert, die Anklageschrift offiziell entgegenzunehmen. Das australische Mutterunternehmen Esmeralda wiederum hatte kurz nach dem Zyanidunfall vom Januar 2000 Konkurs angemeldet.

Damals waren aus einem Abwasserbecken des Aurul-Goldbergwerkes in Baia Mare 100.000 Kubikmeter zyanidhaltige Abwässer in die Flüsse Somesch und Theiß geflossen und hatten die größte ökologische Katastrophe in der ungarischen Geschichte ausgelöst. In beiden Flüssen starben durch den Unfall laut ungarischen Biologen so gut wie alle Lebewesen. Zeitweise waren in Ungarn hunderttausende Menschen von der normalen Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Der Tourismus in der Region brach zeitweise ein.

Ungarischen Ökologen zufolge hat sich die Theiß durch intensive Rehabilitierungsmaßnahmen mittlerweile von der Katastrophe erholt. Nach mehrmonatiger Pause hatte Aurul im September letzten Jahres die Goldproduktion in Baia Mare wieder aufgenommen. Umweltschützer gehen davon aus, dass ein Zyanidunfall jederzeit wieder geschehen könnte, weil zwar das Unglücksstaubecken verstärkt wurde, nicht aber der Rest der Anlage. Aurul hatte Regenunwetter für die Dammbrüche verantwortlich gemacht. Eine EU-Expertenkommission hatte jedoch vor einem Jahr technologische und bauliche Mängel bei den Aurul-Anlagen festgestellt und ein Verbot der Zyanidtechnologie gefordert. Jetzt verhandelt die Firma mit ukrainischen Behörden über ein Bergwerk in der ukrainisch-rumänischen Grenzregion nahe Baia Mare.

Unterdessen kam es in Rumänien am Montag zu einem neuen Zyanidunfall. Im Westteil des Landes bei der Stadt Reschitza gelangten zyanidhaltige Abwässer der Firma Plastomet in den Fluss Birzava. Der Fluss wurde für die Trink- und Brauchwasserentnahme gesperrt, Behörden warnten die Anwohner davor, tote Fische aus dem Fluss zu sammeln. KENO VERSECK

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