piwik no script img

großer tröster lieblingsbuch von WIGLAF DROSTE

Damit man nicht immerzu als Bruder Leichtfuß durch die Welt schlendert, hält das Leben den Mitmenschen parat. Irgendein Fitti drängt sich in das, was deins ist und beschmiert es mit der ihm innenwohnenden Mischung aus Armseligkeit, Gemeinheit und schäbigem Geschmack. Weil du arglos warst, trifft er dich voll, und plötzlich findest du dich angezählt in einer Ecke liegend wieder. Wie gut, dass Tex Perkins, Don Walker und Charlie Owen 1994 die CD „Sad but true“ aufnahmen: Man hört und gewinnt die Fassung zurück. Wenn sich genügend Haltung angesammelt hat, dass man auf die Straße treten kann, schlüpft man aus der Tür, hinein in die graubraune, lichtlose nasse Masse Stadt, denn so rüde, stillos und grob sich die Welt zuweilen auch zeigt, so bleibt sie doch der einzige Ort, an dem man bekommt, was man wirklich braucht: Lebensmittel, also Bücher und Beiwerk in fester und flüssiger Form.

Mit vollen Taschen zurückgekehrt, lässt man die Badewanne ein, bereitet in der Küche diverse Kniften zu und entkorkt den Toribas. Der gammelige Leib wird in Badewasser erquickt, und dann heißt es: Bett und Buch, ja ja ja! Ein Hühnchensandwich wird verputzt und das Angebot geprüft: „Der Fall Bienlein“ von Hergé, „Barry Lyndon“ von Thackeray, Voltaires „Candide“, Conan Doyles „Die vergessene Welt“, Chestertons „Der Held von Notting Hill“, „Rattus Rex“ von Colin McLaren, „Tobias Knopp“ von Wilhelm Busch, „Ich & John Wayne“ von Kurt Scheel – allesamt Bücher von bewährter Herrlichkeit, Regenschirme aus Schönheit und Geist, wenn es Dreck regnet, und da haben wir doch noch – genau: „Das große Umlegen“ von Dashiell Hammett.

Was für eine Detektivgeschichte, was für ein Ton, und Hammett hat ihn erfunden: taff, lakonisch, präzise. Einer seiner gelungensten Charaktere ist der namenlose Continentel Op, der gleichmütig und hartnäckig seine Arbeit macht und die Welt und ihre Bewohner betrachtet, wie sie sind. Sich selbst beschreibt er so: „Ich bin kurz und dick. Mein Gesicht schreckt keine Kinder, aber es ist ein mehr oder weniger ehrlicher Zeuge eines Lebens, das mit Anständigkeit und Luxus nicht gerade überlastet worden ist.“ Erzählt wird die Geschichte eines sagenhaften Coups, und Hammetts Personal ist große Klasse: „Mexico-Paddy, ein liebenswürdiger Gauner, der aussah wie der König von Spanien; L.A.-Slim aus Denver, wie immer ohne Socken und Unterwäsche; Toots Salda, der stärkste Mann der Unterwelt, der in Savannah mal zwei Polizisten, an denen er mit Handschellen befestigt war, hochgehoben hatte und mit ihnen davongelaufen war.“

Hammett braucht meisterhaft wenig Worte, um die Verhältnisse auf den Punkt zu bringen: „Das Zimmer war so schwarz wie die Zukunft eines ehrlichen Politikers.“ Sein Stil ist ein Fels in der schlammigen Brandung des Lebens. Mit Hammetts eigenen Worten gesagt: „Der Felsen von Gibraltar ist im Vergleich zu ihm ein loses Blatt im Wind.“ Dergestalt gestärkt, erhebt man sich aus dem Bett und tritt der Welt entgegen, nun nicht mehr wehrlos.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen