piwik no script img

Es geht um Klassenfragen

Männliche Losertypen und Restetrinker aus den schlechteren Vierteln der Stadt: Morgen liest Linus Volkmann aus seinen Erzählungen über super-lupo im Bastard

Die Helden sind uncool wie ihre Namensgeber aus den Comics von Rolf Kauka

Wichtige Autoren werden von der Literaturberichterstattung oft vergessen. Helge Schneider sowieso, Rocko Schamoni mit seinen kokaintrunkenen Helden und Linus Volkmann, der am 9.12. mit zwei Freunden zusammen im „Bastard“ lesen wird.

Linus Volkmann lebt in Köln, trägt karierte Holzfällerhemden, sieht so aus wie die Kriminalassistenten in alten Tatort-Krimis, obgleich er grad 28 ist und wird vermutlich nie vom Goethe-Institut auf Lesereisen nach Iran, Hawai, USA usw. geschickt werden. Obwohl seine bislang erschienenen Bücher – „super-lupo – jeder freund ist anders“ und die in diesem Jahr erschienene Kurzgeschichtenkompilation „smells like niederlage“ (Untertitel: super-lupo vs. die anderen“) viel genauer von bundesrepublikanischen Postwendenachjugendmentalitäten sprechen als Leute wie Florian Illies. Und dabei auch lustig sind. Man könnte so eine Linie ziehen zu Douglas Copeland. Muss man aber nicht.

Die Figuren von Linus Volkmann treten im Gewand bunter Helden der Kindheit auf. Sie heissen super-lupo, pauli, lupinchen und sind so uncool letztlich wie ihre Namensgeber aus den Niedergangscomics von Rolf Kauka. Die Männer sind Postslacker, hoffnungslose Nerds, nicht mehr jung, noch nicht alt, um die dreissig, männliche Loserhelden mit goldenem Herzen aus den schlechteren Vierteln der Stadt; Restetrinker in krassen Wohnungen, gänzlich ungeübt im Umgang mit Frauen, die aus den besseren Gegenden mit besseren Jägerzäunen ums Eigenheim herum kommen.

Es geht auch um die Klassenfrage. Der Nerd ist ja jemand, dem die bürgerliche Lebensordnung fehlt, der sich ans Zweitrangige verliert, die Lost-Sinnfrage mit drittklassigen Selbstbeschädigungssüchten beantwortet, über dessen Leben die Parole der Kollegin Grimm – „Aufhören wo andere anfangen“ stehen könnte. Die Linus Volkmann’schen Sachen sind durchgehend kleingeschrieben. Das ist nicht Attitüde, wie bei den Gedichteschreibern mittlerweile in vierter Generation, sondern Ironie, die sich gegen die dichterische Kleinschreibung richtet.

Das Worumsgeht? – lupinchen geht schwimmen. super-lupo will zur Volkshochschule, um später mit Bildung bei lupinchen zu punkten. Statt ins AJZ, wo die Demütigungen zuhaus sind, geht super-lupo ins „one-night-stand-inn“ und trifft irgendwie doeserella. Rauskommen tut nie was. Oder: robbe und bürzel sind Streber, Nichtraucher, Nichttrinker, gehen auf die Trekkie-Convention, spielen Rollenspiele und benehmen sich gestört, wenn mal eine Frau auftaucht.

Alle Helden sind unsicher, angstvoll, kontaktgestört und finden sich häßlich. Die Sätze, die sie sagen, sind großartig. Wenn sie sich spaßeshalber überlegen, in den Puff zu gehen, um zumindest dort mal, fällt ihnen plötzlich ein, dass es der Schüchternheit geschuldete technische Probleme geben könnte „und dann one-night-stand ohne steifen. die wird aber augen machen. damit rechnet die nicht. die bekommt sicher nur nächte mit gemeinen mackern und sportlern ab und freut sich sehr über sensible typen, die nicht auf kommando können.“

Solche Sachen eben. Diese melancholisch lustig funkelnden Satzjuwelen sowieso, für die Volkmann berühmt ist – „living on the edge of a rest von früher“, „back into the tender arms of the zustand formerly known as sicherheit“ usw. – oder diese präzisen Beschreibungen wohlbekannter Slackermomente: „lupinchen, das mädchen, dem seine liebe galt, war da. er konnte sie sehen, wenn er aus seiner küche in sein – naja – wohnzimmer schaute. dort saß sie. sie hatte ihre beine angezogen und saß somit komplett auf der sitzfläche eines sessels. eines sessels, der, meinte man es gut, einem angesagten siebzigerjahre-stil zuzuordnen war. ’hallo, sag mal', rief lupinchen leicht heiser zu super-lupo in die küche, 'auf was für einem kaputten stück schrott muss ich denn hier sitzen?' das war natürlich die kehrseite dieses möbelstückes: es war ziemlich scheiße.“

Linus Volkmann lebt in Köln und wird morgen zusammen mit Thees Uhlmann, der die Toctronic-Tourtagebücher geschrieben hat, und Thomas Venker im „Bastard“ „eine charmant dilettantische Wildstyle-Performance abliefern“, die alles „wegfegen soll, was hier so an grenzdebilen Jungliteraten durch die Vorstadt marodiert.“ DETLEF KUHLBRODT

Morgen, 9.12., ab 20 Uhr im Bastard im Prater, Kastanienallee 7-9

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen