: Kalif ohne Kalifat
Innenminister Otto Schily verbietet die islamistische Organisation Kalifatsstaat. Bundesweite Durchsuchungen. Kalif soll ausgewiesen werden. Türkische Regierung begrüßt das Verbot
KÖLN taz ■ Der „Kalifatsstaat“ Metin Kaplans existiert nicht mehr. Nur vier Tage nachdem die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz in Kraft getreten ist, hat Bundesinnenminister Otto Schily die Organisation und die dazugehörige Stiftung „Diener des Islam“ sowie 19 Teilorganisationen des radikalislamistischen Verbandes verboten. Im Morgengrauen stürmten Polizeieinheiten die Zentrale des Verbandes in Köln. Die Anwesenden leisteten keinen Widerstand. Quer durch die Republik kam es zu groß angelegten Durchsuchungen in insgesamt 212 Vereinsräumen und Moscheen. Dabei gab es eine Festnahme. In Ingolstadt stellten Beamte einen Revolver sicher. Alleine in Nordrhein-Westfalen, dem Zentrum des Verbandes, waren rund 1.150 Polizisten im Einsatz, die 84 Objekte durchkämmten.
Der „Kalifatsstaat“ richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik, begründete Schily das von ihm erlassene Verbot. Es sei notwendig, um extremistische Aktivitäten des 1.100 Mitglieder starken Verbandes zu unterbinden. „Besonders widerwärtig sind seine antisemitischen und antiisraelischen Tiraden“, sagte Schily in Berlin.
Schily kündigte an, den seit 1999 in Haft sitzenden Metin Kaplan schnellstmöglich ausweisen zu wollen. Laut Schily hat die Kölner Ausländerbehörde die Ausweisung Kaplans in die Türkei für sofort vollziehbar erklärt und das Nürnberger Bundesamt gegen den ihm zuerkannten Asylstatus ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Vor einer Ausweisung müsse es allerdings die Zusicherung geben, „dass die Türkei die Todesstrafe zumindest nicht vollstreckt“, so Schily. Der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens kündigte an, weitere Führungskader abschieben zu wollen.
Sprecher des „Kalifatsstaats“ erklärten, alle rechtlichen Mittel ausschöpfen zu wollen, um eine Aufhebung des Verbotes zu erreichen und eine Abschiebung ihres Anführers zu verhindern. Nach ihren Angaben ist Kaplan in der Türkei bereits in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland nannte das Verbot folgerichtig. Der Rat bedauerte aber die Durchsuchung von Moscheen im Fastenmonat Ramadan. Das Zentrum für Türkeistudien in Essen begrüßte das Verbot. Auch die türkische Regierung nannte die Entscheidung „positiv und zufrieden stellend“.
PASCAL BEUCKER
tagesthema SEITE 3
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