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Angriff auf Demokratiesymbol

Tote bei versuchtem Anschlag auf Indiens Parlament. Kaschmir-Islamisten verdächtig

DELHI taz ■ Fünf bewaffnete Männer haben gestern versucht, das indische Parlament zu stürmen. Im Schusswechsel mit den Sicherheitskräften starben sechs Polizisten, ein Gärtner sowie die Attentäter.

Laut Augenzeugen fuhren die Terroristen in einem Auto mit offiziellen Zulassungsmarken und in Uniformen vor den Eingang des Gebäudes, einem großen Rundbau aus der Kolonialzeit. Sie versuchten, drei der vielen Eingänge zu stürmen, was ihnen dank der Gegenwehr des Sicherheitspersonals, dem sich Spezialeinheiten anschlossen, nicht gelang. Verteidigungsminister George Fernandes, der im Parlament war, erklärte, ein Attentäter habe eine Explosivladung auf seinem Körper getragen.

Kurz vor dem Angriff, der sich knapp vor halb zwölf ereignete, waren die Sitzungen der beiden Parlamentskammern unterbrochen worden, und einige Parlamentarier, auch Premierminister Vajpayee, hatten das Gebäude verlassen. Doch rund 300 Abgeordnete und viele Minister befanden sich noch in den Sitzungssälen. Weil die Zahl der Attentäter lange nicht klar war, wurde ihnen allen erst drei Stunden später der Weg nach draußen freigegeben. In einer eher symbolischen Demonstration gingen im Lauf des Nachmittags Militäreinheiten rund um das Parlament in Stellung.

Indiens Parlament ist, wie es sich für eine lärmige Demokratie gehört, nur schwer abzuschotten. Erst am Vorabend hatte Premierminister Vajpayee auf die Gefahren des Terrorismus für eine „offene Gesellschaft“ hingewiesen und ausdrücklich die Verletzlichkeit des Parlaments erwähnt. Während der Sitzungen gehen über 2000 Personen dort ein und aus: Abgeordnete, Angestellte, Besucher, Beamte. Innenminister L.K.Advani wies denn auch Vorwürfe mangelnder Sicherheitsvorkehren zurück. Die Tatsache, dass die Attentäter nicht ins Innere des Gebäudes dringen konnten, sei vielmehr ein Beweis des Gegenteils. Ironischerweise debattiert das Parlament zur Zeit über ein verschärftes Terroristengesetz.

Innenminister Advani weigerte sich, über Täter zu spekulieren und auf den Nachbarn Pakistan zu deuten. Doch liegt auf der Hand, dass der Verdacht auf kaschmirische Untergrundorganisationen fällt, die in den letzten zwölf Monaten eine Reihe von Suizidanschlägen durchführten. Der schwerste ereignete sich am 1. Oktober, als in Kaschmirs Hautpstadt Srinigar ein mit Sprengstoff gefülltes Fahrzeug in den schwerbewachten Eingang des Provinzparlamentes raste und explodierte. Im darauffolgenden Chaos gelang es mehreren Attentätern, in die Kammer zu gelangen und Abgeordnete unter Beschuss zu nehmen. 36 Menschen kamen dabei ums Leben. Zu diesen Terrorakten hatten sich die Organisationen „Jaish e-Mohammed“ und „Lashkar e-Tayba“ bekannt. Sie haben Trainingslager und Rekrutierungsbüros in Pakistan, sind aber dort inzwischen verboten. Der „United Jehad Council“, dem beide Gruppierungen angehören, hat in einer Erklärung jede Beteiligung eines seiner Miglieder ausgeschlossen.

BERNARD IMHASLY

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