piwik no script img

Türken als treue Staatsbürger

Studie der Adenauer-Stiftung: Türken in Deutschland „erfreulich gut“ integriert und „sehr loyal“ zum Staat. Verteidigungsbereitschaft höher als unter Ostdeutschen

BERLIN taz ■ Einige Zuhörer waren sichtlich überrascht, als die Konrad-Adenauer-Stiftung gestern das Ergebnis einer neuen Studie präsentierte. „Sind Deutsche türkischer Herkunft bessere Deutsche?“, wollte ein Fragesteller sogar wissen. So weit gingen die Experten der CDU-nahen Stiftung natürlich nicht. „Die Bewertung überlassen wir Ihnen“, sagte einer der Studienleiter. Ihre Untersuchung über „Türken in Deutschland“ liefert dennoch einen interessanten Beitrag zur aktuellen Zuwanderungsdiskussion, der einigen Unionspolitikern kaum ins Konzept passen dürfte – jedenfalls denen nicht, die mit Stammtischrhetorik in den Wahlkampf ziehen möchten.

„Die Ergebnisse widerlegen eine ganze Reihe von Klischees“, bemerkte Stephan Eisel, Abteilungsleiter Innenpolitik der Adenauer-Stiftung. So sei der „Integrationsgrad“ der in Deutschland lebenden 2,1 Millionen Türken „erfreulich hoch“. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der im Bundesrat über das Zuwanderungsgesetz entscheiden könnte, hatte gerade erst das Gegenteil behauptet: „Machen wir uns nichts vor, die Integration hat weitgehend nicht funktioniert.“

Insbesondere im Streit um den Doppelpass war von vielen CDU/CSU-Politikern auch die Loyalität türkischstämmiger Bürger zum deutschen Staat bezweifelt worden. Bei ihrer „weitgehend repräsentativen“ Befragung von 326 Frauen und Männern türkischer Herkunft kam die Adenauer-Stiftung nun zu ganz anderen Resultaten: Sie stellte eine „große Loyalität“ fest. „Entgegen der allgemeinen Vermutung“ gebe es „eine starke emotionale Verbundenheit“ zu Deutschland. Die deutsche Gesellschaftsordnung finde bei den Türken sogar „eine deutlich höhere Akzeptanz als bei der deutschen Bevölkerung“. Mit der Demokratie sind die Türken zufriedener als die Deutschen (Türken 80 Prozent, Deutsche 74).

Die Loyalität beschränkt sich nicht nur auf allgemeine Sympathiebekundungen. Fast die Hälfte der hier lebenden Türken (48 Prozent) wäre bereit, Deutschland bei einem Angriff durch ein islamisches Land zu verteidigen. Damit sei die Verteidigungsbereitschaft unter den Türken sogar höher als unter den Ostdeutschen (42 Prozent).

„Gerade angesichts der aktuellen Debatte um extremistische und fundamentalistische türkische Organisationen“ wiesen die Experten auf ein weiteres Ergebnis hin: Nur für etwa die Hälfte der Türken in Deutschland spiele Religion eine wichtige Rolle. 77 Prozent bekennen sich „zu einem toleranten Islam, der das Christentum als gleichwertige Religion anerkennt“.

Auffällig sei außerdem, dass unter den Türken deutsche Medien (36 Prozent) mehr Vertrauen genießen als türkische (27). Längst würden – „entgegen vielen Vermutungen“ – deutsche Medien in etwa ähnlich oft genutzt wie türkische.

Tipps an die CDU, wie sie mit der Studie umgehen sollte, wollten die Vertreter der Adenauer-Stiftung nicht geben. Noch sind auch nicht alle Ergebnisse ausgewertet. Im zweiten Teil der Untersuchung, der im Frühjahr veröffentlicht werden soll, wurden die Türken auch nach ihren parteipolitischen Vorlieben befragt. Wie die CDU da abschneidet, bleibt bis dahin ein Geheimnis.

LUKAS WALLRAFF

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen