piwik no script img

Brief in die Praxis

■ Kassenärztliche Vereinigung rechtfertigt in „Offenem Brief“ an 1.200 Ärzte die Begünstigung des KV-Vize

In einem „Offenen Brief“ an die 1.200 Bremer „Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Lande Bremen“ haben der Geschäftsführer der Bremer Kassenärztliche Vereinigung (KV), Klaus Stratmann, und der Vorsitzende Dr. Jürgen Grote zu den Vorwürfen der „angeblichen Aufdeckung einer Mauschelei bzw. eines Korruptionsskandals“ in der Spitze der KV Stellung genommen. Die Praxis des derzeitigen Vize-Präsidenten der KV, Andreas Rüggeberg, darf nach den Berechnungen der KV jährliche Mehreinnahmen in sechsstelliger Höhe abrechnen.

Andererseits erläutern die beiden KV-Funktionäre ausführlich die Hintergründe für die „Beurlaubung und Entlassung der Justiziarin Frau Andrea Schulz“ (u.a. taz vom 11.8.01).

Der Anwalt der Justitiarin, Hess-Grunewald, erwägt, wegen dieser Passagen des Briefes gegen die KV-Spitze vorzugehen. Inhalte aus der Personalakte „in dieser Form öffentlich breitzutreten“ sei „arbeitsrechtlich nicht unbedenklich“, formuliert der Anwalt.

Die Zusammenarbeit mit der Justiziarin sei „seit längerem angespannt“, plaudern die KV-Vertreter in dem Offenen Brief aus. „Der Grund hier für ist aus Sicht der Geschäftsführung in der Rücknahme von Sonderprivilegien .. zu sehen.“ Als Beispiel führen sie Dienstreise-Abrechnungen an und „die Nichtberücksichtigung bei der Neuvergabe von Mitarbeiter-Parkplätzen.“ Hintergrund: Wenige Wochen nach dem ersten Versuch, die Justitiarin fristlos zu entlassen, hatte die KV ihren Parkplatz mit zwei weißen Strichen gesperrt. Begründung: Die freie Zufahrt für Lieferanten sei behindert. Fünf Jahre lang war dies offenbar kein Problem gewesen.

Der Offene Brief beschäftigt sich zudem mit dem Vorwurf, der Praxis des derzeitigen Vizepräsidenten Dr. Andreas Rüggeberg sei eine überhöhte „Punktezahl“ zugeordnet worden. Dass der Beschluss aus dem Herbst 2000 „nicht den Richtlinien“ entspricht, hat Rüggeberg selbst mehrfach eingeräumt, dann aber betont, das sei „politisch gewollt“ gewesen durch den KV-Vorstand. Einbußen durch sein ehrenamtliches Engagement als Sprecher der Fachärzteschaft sollten durch die KV ausgegleichen werden. Die beiden KV-Vertreter erinern nun auch daran, die „Vertreterversammlung“ der Ärzteschaft habe keinen Anlass gesehen, dem Vorgang weiter nachzugehen.

Inzwischen hat allerdings das Arbeitsressort als Aufsichtsbehörde in aller Form beanstandet, wie die KV durch ihren Geschäftsführer Stratmann damals den zuständigen „Zulassungsausschuss“ informiert hat. Offenbar hatte der KV-Geschäftsführer nicht deutlich gemacht, dass sein Beschlussvorschlag gegen die bundesweit geltenden Richtlinien verstoßen würde. Der Zulassungsausschuss muss sich daher in drei Wochen noch einmal mit dem Vorgang aus dem Jahre 2000 befassen.

Ursprung des Streites der KV-Spitzen mit der Justitiarin war, dass Frau Schulz diesen Vorgang in einer internen Vorstandssitzung am 24.4.2001 mit deutlichen Worten moniert hatte. Das Bremer Arbeitsgericht hat dies ausdrücklich nicht als Verletzung der Loyalität durch die Justitiarin betrachtet. Bei der KV „handelt es sich um eine Körperschaft Öffentlichen Rechts“, immerhin gehe es um den Vorwurf „rechtswidriger Fehlentwicklungen“. Die KV habe „keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert, dass die Vorwürfe falsch wären“.

In der KV herrscht dicke Luft. So wurde die Weihnachtsfeier mit der Begründung abgesagt, die diversen – gescheiterten – arbeitsrechtlichen Schritte gegen Schulz seien so teuer gewesen.

Für den 15. Januar ist eine Sondersitzung der Ärztevertreter beantragt. Unter anderem geht es da um die Frage, ob der Geschäftsführer ohne ein Votum des Vorstandes die Rüggeberg begünstigende Entscheidung gegen die Richtlinien vorbereitete. Klaus Wolschner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen