: Sinn und Sensemaking
■ Norbert Bolz zu Gast in der Freien Akademie der Künste
In der Vortrags- und Diskus-sionsreihe „Kunst als Sinnstiftung?“ der Freien Akademie der Künste ist heute der Kommunikations- und Designwissenschaftler Norbert Bolz zu Gast. Bolz promovierte über die Ästhetik Theodor Adornos, habilitierte über „Philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen“ und lehrt seit zehn Jahren an der Universität Essen Kommunikationstheorie.
Als Theoretiker ist Bolz nicht unumstritten – desto mehr, je weiter er seine eigentlichen Fachgebiete verlässt. Dann wird etwa aus dem Diagnostizierer des Endes der „Gutenberg-Galaxis“, also der Zeiten mit dem gedruckten Wort als vorherrschender Kommunikationsform, „der scharfsinnigste Trendanalytiker unserer Zeit“ oder Ärgeres, gelegentlich ein wenig zu leichtfertig zwischen vereinzelter eigener pessimistischer Weltbetrachtung und deren Diffamierung bei anderen changierend. Und regelmäßig schmälert Bolz seine nicht immer uninteressanten Ideen durch recycelte Floskeln in beträchtlicher Ballung.
Dafür, dass Bolz – anders als der zuletzt in der hiesigen Vortragsreihe eingeladene Boris Groys – nicht auf Fragen der Geheimniskrämerei und Enthüllung spezialisiert ist, lädt der Informationsfluss bezüglich seines Gesprächsthemas doch zu mancherlei Vermutung ein. Um den Begriff des „Sensemaking“ soll es gehen, und da scheint entfernte Verwandschaft zur „Sinnstiftung“ im Reihentitel erkennbar.
Diese nämlich, so Bolz' These, spielt sich im Gegensatz zu früheren Zeiten heute nicht mehr auf dem Feld der Kunst, insbesondere der Literatur, ab. Die Kunst verliert vielmehr ihre entsprechenden Fähigkeiten und wird in Sinnfragen „zusehens spröder“. „Die uns vertraute Semantik“, schrieb Bolz 1997 in Die Sinngesellschaft, „die aus dem 19. Jahrhundert stammt, taugt nicht mehr zur Weltbeschreibung.“ Ihre Erbschaft angetreten haben vor dem Hintergrund fortschreitender Medialisierung und industrieller Werteverbreitung Bereiche wie Marketing und Werbung, aber auch die Selbstdarstellung des Politischen.
Wir haben schon Originelleres gehört, aber der Managerbuchmarkt, in dem Bolz inzwischen einen guten Stand erreicht haben dürfte, nimmt derlei ja immer wieder dankbar auf. Und der eigenen Profession prognostizierte Bolz schon vor Jahren: „Die Zukunft des Philosophen liegt im Theoriede-sign. An Stelle ewiger Wahrheiten kalkuliert er die Halbwertzeit und das Verfallsdatum.“ Beides lässt sich an Bolz' Thesen heute Abend überprüfen. aldi
heute, 19.30 Uhr, Freie Akademie der Künste, Klosterwall 23
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