ZDF-INTENDANTENWAHL: KANZLERKANDIDAT STOIBER MACHT MACHTPOLITIK: Ohne Konzept fürs Digitale
Noch ist die Bundestagswahl Monate entfernt, da hat der potenzielle Kanzler schon kräftig Politik gemacht: Die Farce bei der ZDF-Intendantenwahl trägt ganz die Handschrift Edmund Stoibers. Der ist ausgewiesener Medienspezl, fördert „seinen“ Standort München schon immer über alles und hilft – wenn es wieder mal eng wird – „seinem“ Mediengroßunternehmer Leo Kirch mit dem ein oder anderen Staatskredit. Jetzt lässt er nach Entscheidung der K-Frage auch bei der I-Frage die Strippen ziehen. Ergebnis: Der Kompromisskandidat Günter Struve ist verhindert, CDU und SPD sind brüskiert, wirkliche Lösungen nicht in Sicht.
An die Konsequenzen für das ZDF denkt dabei niemand. Auch wenn gestern der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) mitteilen ließ, er werde als Vermittler in Sachen ZDF-Intendanz weitermachen. Auch wenn sich die rot-grüne NRW-Landesregierung zuversichtlich zeigt, dass der jetzt entstandene Leidensdruck für eine vernünftige Lösung sorgen werde: Die von der SPD angestoßene Kampagne zur Entpolitisierung der Gremien bei den öffentlich-rechtlichen Sendern krankt daran, dass sie von Parteiseite kommt. Und angesichts der sonst auch nicht allzu zimperlichen SPD-Medienpolitik liegt der Verdacht nahe, die „Entpolitisierung“ solle zunächst mal den Einfluss der Unionsparteien zurückdrängen.
Was ARD und ZDF jedoch brauchen, ist eine unabhängige Kommission, die die Selbstverwaltung und Selbstkontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rücksichtslos prüft. Bei der gegenwärtigen Qualität der Medienpolitik aller Parteien sollte auf deren Vertreter getrost verzichtet werden.
Es wäre nicht zu verantworten, an der Schwelle zum digitalen Zeitalter ein rund 50 Jahre altes Modell fortzuschreiben, das fast ebenso lang parteipolitisch ausgehöhlt worden ist. Denn eben diese Zustände haben auch dafür gesorgt, dass bis heute kein schlüssiges Konzept für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk existiert, wie dessen Rolle in der schönen neuen Vielkanalwelt aussehen und wie er sich gegen die privaten Senderfamilien behaupten soll. STEFFEN GRIMBERG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen