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Blut fließt reichlich

In seinem neuen Film „Unterwegs in die nächste Dimension“ versinkt Clemens Kuby bis zum Hals im Schamanismus. Sein filmisches Handwerk interessiert ihn immer weniger

Clemens Kuby mag vielleicht nicht der Brillanteste unter den deutschen Dokumentarfilmern sein. Einer der Bedeutendsten ist er allemal, und wenn nur aufgrund von Kondition und purem Durchhaltevermögen. Niemand sonst identifiziert sich so mit seinen Thematiken, sieben Jahre drehte er allein an seinem bislang erfolgreichsten Film „Living Budhha“. So wie Kuby dort zu beweisen versuchte, dass die Reinkarnation eines tibetanischen Buddhas nicht nur religiöser Mummenschanz ist, soll nun mit „Unterwegs in die nächste Dimension“ die Ehre von Geist- und Wunderheilern, Schamanen, Sehern und Alchimisten gerettet werden.

Dazu reiste Kuby mit einer Gruppe österreichischer Zivilisationskrüppel in den peruanischen Urwald, besuchte Geistheiler auf den Philippinen, die mit bloßen Händen Tumore operieren, und zwei Russen, die glauben, telepathische Kräfte messen zu können. In Tibet beobachtete er eine Hausfrau, in deren Körper regelmäßig eine uralte Gottheit schlüpft, und in Burma einen Alchimisten, der aus Metallen und Kräutern Tabletten herstellt, die sogar Aids im Endstadium heilen sollen.

So wie Kuby früher erst Monate als Landarbeiter oder Schiffsbauer arbeitete, um dann einen Film darüber zu drehen, so versank er zwischenzeitlich im Buddhismus. Und weil er „auch mal glücklich sein“ wollte, hat es ihn Mitte der 90er-Jahre „magisch“ zum südindischen Urwaldstamm der „Todas – Am Rande des Paradieses“ gezogen. Vor allem aus privaten Gründen scheint er sich nun auf den Weg in die nächste Dimension aufgemacht zu haben: Auf den Philippinen lässt er sich die Wirbelsäule behandeln, in Tibet werden ihm durch ein Röhrchen die Schmerzen aus dem Knie gesaugt. Blut fließt reichlich, Kuby taucht wie immer bis zum Hals in die Thematik ein und gibt jede kritische Distanz auf.

Zwar weiß auch Kuby, dass die Geistheiler nicht den Körper öffnen mit ihren bloßen Händen. Er interpretiert es als „Darstellung der geistigen Arbeit“, die helfen soll, den in seinem Glauben Wankenden einzustimmen auf den Heilungsprozess. „Wir haben vergessen“, salbadert Kuby aus dem Off, „dass wir in erster Linie geistige und nicht körperliche Wesen sind.“ Daran will uns Kuby mit aller Macht erinnern und hat so einen nahezu völlig kritiklosen Werbefilm für Heilmethoden gedreht, die selbst Homöopathen und Naturheilkundlern den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürften.

So kommen weder die florierende Wunderheilerindustrie auf den Philippinen noch die lukrativen Mechanismen der New-Age-Szene der Ersten Welt zur Sprache. Scharlatanerie und Schindluder tauchen in „Unterwegs in die nächste Dimension“ nicht auf. Kuby übernimmt, ohne zu hinterfragen, die Aussagen seiner Protagonisten.

Weil Kuby sich nie als Journalist verstehen mag, sondern statt dessen nur als Mitteiler auftritt, als Prediger, diskreditiert er seine eigene Botschaft. Zudem scheint er sich immer weniger für sein Handwerk zu interessieren: Der Film kommt daher wie ein schlampig geführtes Tagebuch, filmisch uninspiriert wie eine nachmittägliche TV-Reportage. THOMAS WINKLER

„Unterwegs in die nächste Dimension“, von Clemens Kuby, 84 Min., D 2001,Kinos, Spielzeiten siehe taz film

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