: I have a dream
Mainz 05 geht mit Trainer Jürgen Klopp als unverhoffter Aufstiegsfavorit in die restliche Saison der 2. Bundesliga
MAINZ taz ■ Während sich in der ersten Bundesliga die üblichen Verdächtigen auf den vorderen Tabellenplätzen tummeln, steht bei der heutigen Wiederaufnahme des Spielbetriebs in Liga zwei eine Mannschaft mit vorn, die man dort nicht erwartet hatte. Vom Abstiegskandidaten ist der FSV Mainz 05 innerhalb weniger Monate zum Aufstiegsaspiranten mutiert. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran hat der Trainer. Zum „Harry Potter des Fußballs“ wurde Jürgen Klopp mittlerweile schon ausgerufen.
„Hallo, ich bin schon dran“, ertönt es freundlich, kaum hat man wegen einer Interviewanfrage die Geschäftsstelle angerufen. Der 34-Jährige hört sich gern sprechen. Der Erfolg ist ihm dennoch nicht zu Kopfe gestiegen. „Es geht darum, eine Mannschaft zu entwickeln“, sagt er, „und den Verein auf Jahre voran zu bringen.“ Der zweite Platz zur Winterpause sei da natürlich ein gutes Argument. Die Erfolge haben die Verantwortlichen gezwungen, Strukturen für die erste Liga zu schaffen. Noch dieses Jahr wird der Mainzer Bruchweg samt umliegender Containerlandschaft in eine erstligataugliche Arena für 22.000 Fans umgebaut. Auch dem Klub will Präsident Harald Strutz eine professionellere Struktur geben. „Wir dürfen nicht den Eindruck vermitteln“, mahnt er, „wir würden eines der größten Unternehmen der Stadt handgestrickt führen.“
Die Frage, ob sein Team angesichts des Neun-Punkte-Vorsprungs auf den Vierten schon durch sei, musste sich Jürgen Klopp in den letzten Woche einige Male anhören. „Ich habe nicht mitgezählt“, lächelt er, „aber es war deutlich zu oft.“ Aufgestiegen sei man noch lange nicht, gibt er artig zu Protokoll: „Wir sind nicht die Mannschaft, die durch die Liga galoppiert und alles wegknallt, wir müssen viel für den Erfolg tun.“ Wie der steile Aufstieg zustande kam, kann Klopp bis heute nicht so recht erklären – der Fast-Absteiger wurde kaum verstärkt. „Wir haben einige Dinge umgestellt, wir sind taktisch flexibler geworden und spielen jetzt ein aggressives Pressing – wir wollen den Gegner beeindrucken.“ Auch die „ballorientierte Raumdeckung“ nennt Klopp immer wieder, fast wie eine Zauberformel: „Man hat damit auf entstehende Fragen einfach die besseren Antworten und ist nicht so von der Tagesform der Spieler abhängig. Keiner darf mehr sagen, das war nicht mein Gegenspieler, das geht mich nichts an.“ Der Diplom-Sportwissenschaftler gibt den modernen Fußballlehrer. „Wir brüten aber nicht über theoretische Beiträge“, schränkt er ein. Mit ihrer modernen Interpretation des Spiels verbindet die beiden Liga-Überflieger Mainz 05 und Tabellenführer Hannover 96 einiges. „Wie Ralf Rangnicks Mannschaften spielen, hat mir immer schon gefallen – wir sind sicher Brüder im Geiste“, sagt Klopp, den Taktikdozenten der Nation will er dennoch nicht geben: „Man wird von den Medien zu viel Mist aufgefordert. Diese Art von Fußball, die hier noch oft ein böhmisches Dorf ist, wird schnell in den Mittelpunkt gerückt.“
Angst, sein Image zu versauen, hatte der Coach nicht, als er am Faschingsdienstag des letzten Jahres gefragt wurde, ob er nicht vom Spielfeld auf die Trainerbank des kriselnden Zweitligisten wechseln wolle. Niemand konnte schließlich davon ausgehen, dass seine erste Trainerstation gleich eine Erfolgsstory werden würde. Seit zwölf Jahren wird der FSV Mainz 05 in der zweiten Liga als Karnevalsverein verspottet. Dieses Jahr will Jürgen Klopp dafür sorgen, dass man auch über den Aschermittwoch hinaus in Mainz noch singt und lacht. Sollte der Aufstieg tatsächlich gelingen, da ist der Coach ganz sicher, „ist in Mainz alles möglich“. Mit Abdelaziz Ahanfouf kam ein erstligaerfahrener Stürmer von der SpVgg Unterhaching, am Montag nächster Gegner der Mainzer, hinzu. Die Testspiele gegen einen türkischen und einen ukrainischen Erstligisten, sowie den Oberliga-Tabellenführer VfB Oldenburg gestaltete der FSV allesamt siegreich. Der Traum von der ersten Liga darf in Mainz wohl noch eine Weile gepflegt werden. Immerhin residiert der FSV ja auch in der Martin-Luther-King-Straße. KLAUS TEICHMANN
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