Kampf den „schwarzen Pfeifen“

Im chinesischen Fußball wird endlich gegen bestechliche Schiedsrichter vorgegangen

PEKING taz ■ Böse Kunde dringt aus Chinas Fußballstadien: Statt fleißig zu trainieren und beim Match hart um Tore auf dem grünen Rasen zu kämpfen, haben viele Vereine in den letzten Jahren lieber den Schiedsrichter bestochen und sich den Sieg gekauft. Jetzt hat Chinas Fußballverband dem Unwesen der „schwarzen Pfeifen“ öffentlich den Kampf angesagt.

In Zeitungen und im Radio haben die Sportfunktionäre die Übeltäter aufgefordert, sich freiwillig zu melden. „Der Verband ruft die Schiedsrichter auf, ihr Fehlverhalten zu beichten, das die Gefühle von fast 400 Millionen Fans im ganzen Land und die Regeln des Fair Play und des Fußballgewerbes verletzt hat“, donnerte Yan Shiduo, der Vizepräsident des Fußballverbandes. Wer freiwillig gestehe, dem werde „vergeben“. Der Reuige dürfe weiter pfeifen und sein Name werde nicht in der Öffentlichkeit genannt. Hart gesottene Übeltäter hingegen, die diese Chance nicht nutzten, würden für immer vom Spielfeld verbannt.

Schon seit langem schwant Fußballfreunden in China, dass etwas faul ist auf den Spielfeldern in den Stadien zwischen der nordchinesischen Stadt Shenyang und dem südlichen Guangzhou. Bereits vor zwei Jahren warnte Pan Sutong vom Shenyanger Haishi-Team nach von dubiosen Vorgängen begleiteten Treffen gegen eine Mannschaft aus Peking, die Schiedsrichter seien inzwischen „schlimmer als die Mafia“. Wie die Pekinger Jugendzeitung berichtete, hat eine Sonderkommission des Fußballverbandes inzwischen Vorwürfe gegen fünfzig Pfeifenmänner untersucht, die verdächtigt wurden, bestechlich zu sein. „Mehrere“ von ihnen hätten daraufhin die empfangenen Schmiergelder zurückgegeben“, hieß es, und „tiefe Reue bekundet“.

Allerdings sind die Schiedsrichter nicht immer Schuld am trüben Tun vor den Tribünen: So klagte der Chef eines Pekinger Fußball-Fan-Clubs, Wang Zhanjun, der gegenwärtige chinesische Fußball sei auch aus anderen Gründen „berüchtigt wie Callgirls“. Dazu zählte er „bösartige Fouls und Spielabsprachen zwischen den Vereinen“ sowie „korrupte Sportfunktionäre“.

Das hängt nicht nur mit dem maroden bürokratischen System, sondern auch mit der Entwicklung des Fußballs in China zusammen. Berufsfußballer kicken erst seit 1994. Gesponsert werden die Teams von chinesischen Unternehmen. Über illegale Buchmacher verwetten die Chinesen hohe Summen auf die Ergebnisse. Und während einige Fußballer inzwischen für chinesische Verhältnisse enorme Summen verdienen, erhalten die Schiedsrichter pro Spiel offiziell nur 800 bis 1.000 Yuan (100 bis 125 Euro). Da ist es offenbar nicht leicht, ein „Unparteiischer“ zu bleiben.

Im Juni wird die chinesische Nationalmannschaft in Japan und Südkorea erstmals an einer Fußballweltmeisterschaft teilnehmen – was in Chinas Presse voller Patriotismus gefeiert wird. Vorher wollen die Sportfunktionäre noch mit den schlimmsten Erscheinungen auf den Spielfeldern aufräumen. Deshalb ist die Entscheidung des Fußballverbandes umstritten, die reuigen „schwarzen Pfeifen“ laufen zu lassen. Man müsse sie vor den Kadi bringen, fordern Kritiker. Doch niemand weiß so recht, ob Bestechlichkeit von Schiedsrichtern eigentlich gegen das chinesische Gesetz verstößt. Bislang ist solch ein Fall noch nie vor Gericht gekommen. JUTTA LIETSCH