: Schlammschlacht um's Watt
■ Umweltschützer an der ostfriesischen Küste streiten um Naturschutz-Konzepte. Hinter persönlichen Attacken stehen harte politische Differenzen
An der ostfriesischen Küste spitzen sich Naturschutz-Konflikte aggressiv zu – unter Naturschützern. Hinter einem persönlichen Streit zweier exponierter Umweltschützer stehen harte Auseinandersetzungen um eine ökologische Entwicklung der Küstenregion.
Der Anzeiger für das Harlingerland aus dem ostfriesischen Esens druckte am vergangenen Freitag eine Presseerklärung, nach der Manfred Knake von seiner Funktion als Sprecher der Konferenz der Umwelt- und Naturschutzverbände Ost-friesland „abgelöst“ wird. Absender der Erklärung ist Remmer Akkermann, Vorsitzender der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte Weser Ems (BSH) und in den siebziger Jahren Mitbegründer der Konferenz.
Das Problem: Knake, an der Küste als Naturschützer bekannt wie ein bunter Hund, wurde gar nicht abgelöst. Er selbst nämlich hatte schon im vergangenen November die Auflösung der Konferenz beantragt. Die war unter seiner Führung zu einem aggressiven Instrument regionaler, ehrenamtlicher Umweltschützer geworden. Von ihrer Arbeit profitierten zwar alle großen Umweltschutzverbände und auch die Medien. Aber viele Verbände haben sich inzwischen aus der Arbeit in der Konferenz zurück gezogen, nachdem sie die Kompromisslosigkeit der Konferenz zu fürchten gelernt hatten.
„Wir haben uns in letzter Zeit fast nur noch auf die Arbeit für das Wattenmeer beschränkt, aus personellen und aus fachlichen Gründen. Die Konferenz konnte nicht mehr flächendeckend für die ganze Region arbeiten“, gibt Knake gegenüber der taz zu. Mit einigen Freunden und Interessierten gründete er daher den Wattenrat.
Da die BSH der Auflösung der Konferenz nicht zustimmen mochte, übernahm sie einstimmig Namen, Sprecherfunktion und Inhalte der Konferenz. Soweit so gut. Wa-rum jetzt, drei Monate später von der BSH lanciert wird, Knake sei „abgelöst“ worden, hat knallharte politische Hintergründe: Letzte Woche trat der Norder Umweltrat aus der BSH aus. Vorwurf der Norder an die BSH: Deren Vorsitzender, Remmer Akkermann, würde den Abschuss des Kormorans im Interesse der privaten Fischwirtschaft unterstützen. Sprecher des Norder Umweltrates ist Uilke van der Meer, Freund von Manfred Knake und Mitglied des neuen Wattenrates. Auf die Frage, warum er erst jetzt und dann noch falsch die Knake-Meldung streut, meinte Akkermann zur taz: „Hinter dem Austritt der Norder steckt Knake. So kann man hier nicht arbeiten“. Knake dagegen kontert: „Ich soll wohl jetzt persönlich unglaubwürdig gemacht werden“. Der verantwortliche Redakteur des Anzeigers gibt sich kleinlaut: „Wir sind wohl für eine Intrige missbraucht worden.“
Hinter den persönlichen Querelen der Kampfhähne Akkermann und Knake stehen unterschiedliche naturschützerische Konzepte. Darf der Kormoran abgeschossen (Sprachregelung: „reguliert“) werden, um die Fischbestände in öffentlichen und privaten Gewässern vor dem Fischräuber zu schützen, zum Wohle der heimischen Fischwirtschaft? BSH-Akkermann sagt: „Begrenzt ja.“ Knake und Co: „Kormorane sind Wildtiere, wir müssen ihre sowieso eingeschränkten Lebensbereiche belassen.“ Dem Fisch ist es egal, in wessen Bauch er landet, doch Fischer, Angler und Teichwirte wollen dem Kormoran an den Schnabel. Dahinter steht die Frage: Wieviel Platz kann man Wildtieren überhaupt einräumen, um die wirtschaftliche Nutzung einer Region nicht zu behindern?
Noch eine Streitfrage: Soll man Windenergie weiter ausbauen, auch um den Preis, Landschaft und Natur zu zerstören? BSH-Akkermann läst sich für den weltweit größten Windkraftanlagen-Hersteller ENERCON zu Werbezwecken einspannen. Knake und Co. dagegen klagen gegen große Windparkplanungen an der Küste und stehen dem Ausbau der Windenergie auf hoher See sehr kritisch gegenüber.
Gibt es eine ökologische Alternative zum Massentourismus an der niedersächsischen Nordseeküs-te und den Nordseeinseln? Während fast alle großen Umweltverbände Tourismuskonzepte für einen sogenannten „sanften Tourismus“ an der Küste entwickeln und Projekte von Land und Bund gefördert bekommen, schlägt Knake empört seine Hände über dem Kopf zusammen: „Wer hier an der Küste und auf den Inseln von sanftem Tourismus schwafelt, hat keine Ahnung. Hier herrscht knallharter Massentourismus, der – zugegeben – für einige Besucher langweilig sein mag. Deswegen öffnen die Planer des sanften Tourismus jetzt zusätzliche Nischen für neue Besucher.“ Das heißt vor allem ein: Die Schlammschlacht im und am Watt geht weiter.
Thomas Schumacher
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