piwik no script img

Stützstrumpf-Erotik

■ „Revival“ – Susanne Blums Inszenierung einer Bedürfnisanstalt

Betritt man dieser Tage das Gerhard-Marcks-Haus, dann trifft man Männer. Richtige Männer, mit breiten Schultern, muskulösen Oberarmen und athletischen Beinen. Es sind harte Männer, fast so hart wie Stahl: Das Gerhard-Marcks-Haus zeigt deutsche Bildhauerei aus den Jahren 1918 bis 1945 (die taz berichtete).

Man muss an diesen Männern vorbei, will man nach nebenan in den Museumspavillon zur Ausstellung „Revival“. Auch dort: nackte Männer. Allerdings weiche Männer, Männer aus Krankenhaus-Watte, Verbandmaterialien und Schaumstoff. Soft Sculptures nennt die Bremer Bildhauerin Susanne Blaum ihre Torsi. Ein ironischer Kommentar zu den Metall-Heroen im Haupthaus? „Die Tatsache, dass man es so interpretieren kann, ist fast schon gewollt“, meint Kustos Arie Hartog.

Susanne Blaum findet „Geschlechtsteile grundsätzlich optisch und von der Funktion her interessant.“ Und „Arschbacken, insbesondere die des Mannes“ findet sie „spannend“. Ihren Skulpturen sieht man das sofort an: Es dominiert der Knackarsch, gehalten in dem kraftlosen Rosa medizinischer Textilien. Blum feiert mit pornographischer Lust den männlichen Körper. Und kokettiert mit dessen Verfall.

Derbe Erotik mit Stützstrumpf-Flavour – Susanne Blaum schafft es, die Darstellung von Männlichkeit ironisch zu brechen, ohne ihr dabei die Sinnlichkeit zu nehmen. „Ich versuche, die Schnittstelle zwischen Brutalität und Sensibilität zu treffen“, sagt die zweifache Mutter, die im Alter von 37 Jahren ihr Lehrerdasein an den Nagel hängte, um mit Anfang 40 ein Kunststudium aufzunehmen. „Ich drehe um, was männliche Künstler früher gemacht haben. Sie haben sich die Frau zum Bild genommen und an ihr ,herumgearbeitet'. Ich mache das umgekehrt als weibliche Künstlerin mit einem männlichen Körper.“

Geschlechteridentität und Geschlechterkampf sind zwei zentrale Themen bei Susanne Blaum. Bei der Ausstellung „Revival“ reagiert sie außerdem auf den Ort: Der Museumspavillon wurde um 1900 noch als öffentliche Bedürfnisanstalt genutzt. Genau das lässt Blaum wieder aufleben: Die Fensternischen, in denen die Männer stehen und sitzen, seien zu deuten als Klokabinen, so Blum. Der einzige weibliche Torso im Raum ist die Klofrau: „Die Männer sind die Klobenutzer. Es gibt keine weiblichen Benutzer. Die Frau ist die, die sauber macht.“

Möglich, dass deshalb in Arie Hartogs Beschreibung von Blaums Arbeit der Satz vorkommt: „Einige würden sagen: etwas platt.“ Zwingt man Blaums Arbeiten allerdings nicht in eine Klofrauen-Interpretation, dann bleibt eine frische, spielerische und ironische Auseinandersetzung – mit weiblicher Lust und Bildern von Männlichkeit.

Klaus Irler

Die Ausstellung ist bis 31. März geöffnet von Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen