piwik no script img

Zweimal 29, ohne Erbsen

Asiatische Speisekarten in quietschrosa Kloschüsseln und barbusige Frauenfiguren in Cremetöpfen: Indonesische Künstler versuchen in der Galerie Asian Fine Arts das politische und gesellschaftliche Gemenge des Inselreichs Indonesien zu erklären

von PETRA WELZEL

In der Kloschüssel endet schließlich alles. Nicht zuletzt auch die Ausstellung zeitgenössischer indonesischer Kunst bei Asian Fine Arts. Am Ende des Parcours durch den lichten Galerieraum geht es hinab in den dunklen Keller und man steht – vor lauter quietschrosa Toiletten. Mit aufgeklappten Deckeln. Einladend leuchten sie aus ihrem Inneren heraus. Auf einer Leinwand läuft schemenhaft der Mitschnitt einer Kochsendung aus dem Fernsehen, überlagert von gesprenkelten Farbschichten. Nur der Ton ist klar. Wenn ein Küchenbeil auf einem Holzbrett Gemüse hackt.

Langsam tastet man sich mit den Füßen zum ersten Klo vor, um darin belichtete Speisetafeln zu erkennen, mit denen Imbisse eigentlich ihre Fassaden schmücken. Die ganze internationale asiatische Küche, chinesisch, japanisch, indisch, koreanisch, Thaifood, indonesisch natürlich, alles appetitlich angerichtet, aber irgendwie auch schon wieder ausgeschissen. An den Wänden entdeckt man erst spät kleine rosa Karten, auf denen spezielle Gerichte wie das Curry erklärt werden. Wo es seinen Ursprung hat. Und in wie vielen Ländern man es kennt und wie zubereitet. Und auf allen Karten steht in Fettdruck: „Foodstuffs are ethnic, never racist“.

So einfach, so kompliziert ist das in Krisna Murtis Installation. Seine Heimat Indonesien hat weltweit die viertgrößte Bevölkerungsdichte. Auf den etlichen Inseln, aus denen sich der Archipel Indonesien zusammensetzt, leben Millionen Menschen mit den unterschiedlichsten Sprachen, verschiedener ethnischer Herkunft, mit vielen Kochrezepten, Traditionen und Religionen. Das Land beherbergt unter anderen die größte muslimische Gemeinde der Welt. Und eine verdammt große chinesische Exilgemeinde. Indonesien ist, so betrachtet, eine multikulturelle Gesellschaft asiatischen Zuschnitts. Und die funktioniert genauso gut oder schlecht wie hierzulande. Zum Türken an der Ecke geht man gerne, weil sein Döner schmeckt. Doch nimmt einer seiner Landsleute einem Deutschen den Arbeitsplatz weg, gehört der Kanake abgeschoben. Den Asiaten geht es auch nicht viel besser. Unlängst lehnte eine Exnazibraut in der „Lindenstraße“ in Klaus Beimers Dresdner WG gar das „Fidschizeug“ ab, eine Reispfanne, die man ihr anbot.

Alles also ganz alltägliche Probleme, mit denen sich die zwei Künstlerinnen und zwölf Künstler aus Indonesien da so in ihren Installationen und Bildern beschäftigen und die der durchschnittliche, rumgekommene Europäer nur zu gut versteht. Wenn Tisna Sanjaya etwa zum „Visit Indonesian Years“ einlädt und bedruckte T-Shirts im Tarnmuster vor einer gemalten Panoramalandschaft anbietet. Timor, Aceh und Sampang kann man kaufen und wie das „Hard Rock Café Hanoi“ auf der Brust tragen. Aceh gibt’s sogar im „Sonderangebot“. Und während Sanjaya gleich dreimal – als glücklicher Familienvater, als Mitglied der Regierungspartei Golkar und als bewaffneter Soldat – in der Landschaft steht und strahlt, erlaubt sich nur eine Kopie von Edvard Munchs „Schrei“ in der untersten Bildecke das blanke Entsetzen. Über die gewaltsame Unterwerfung abtrünniger Provinzen, für die Aceh oder Timor stehen. Kein anderer Künstler in der Ausstellung geht so weit, sich selbst im Getriebe des Exalleinherrschers Suharto und seiner Nachfolger zu verorten und sich der eigenen Rolle bewusst zu werden.

Aber es ist gerade das politische Bewusstsein, das fast durchgängig alle Arbeiten auszeichnet. Nicht immer ist der Bezug so rasch herzustellen wie in Sanjayas Objekten. Und nicht immer ist es die rein politische Vergangenheit und Gegenwart, die sich in den Werken manifestiert. Bei den beiden Künstlerinnen der Ausstellung ist es ganz offensichtlich die gesellschaftliche Rolle der Frau, die sie in Frage stellen. In ihrer Performance, die in einem Video dokumentiert ist, wechselt die in Jarkarta lebende Arahmaiani das Geschlecht, indem sie sich einen Bart malt und den Ton ihrer Stimme vertieft. Oder sie bietet dem Publikum ihren nahezu unbekleideten Körper zum Beschreiben an. Eine Zumutung für koranfeste Muslime.

Bunga Jeruk hingegen räumt mit dem Mythos Schönheit auf, indem sie zwölf barbusige Frauenfiguren mit dem Unterleib in zwölf Cremetöpfe taucht. Auf denen steht dann etwa „Blanc Absolute White“. Damit einreiben, und schon sehe man so aus, wie die europäisierten Modells aus der Werbung zum Produkt. Auch der Tiegel mit der Aufschrift „Whitening masque“ verspricht die gleichmachende weiße Haut. Die Puppe, die drin badet, hat es bereits geschafft.

AWAS! ist der Titel dieser Ausstellung. Übersetzt bedeutet das „Achtung!“, „Aufgepasst!“. Auf dem einzigen eigens für die Galerie in Berlin gemalten Wandbild ist zu lesen „Achtung Jihad!“. Der seit einigen Jahren in Basel lebende Künstler Eddie Hara teilt sich darauf in kindlichen Fantasiefiguren mit, und wie dabei aus einem Propellerflugzeug eine Rakete wird, die auf einen Teufel einstürzt. Und der scheint gleich zu platzen vor Wut. Bei soviel Eindeutigkeit versteht man es nicht, wenn gleichzeitig eine Besucherin aus dem Keller zurückkommt und zu ihrem Freund sagt: „Ich brauche jetzt doch mal jemand, der mir Kunst erklärt.“

Bis 23.2 Asian Fine Arts, Sophienstr. 18, Mitte, Dienstag–Freitag 14–19, Samstag 11–19 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen