piwik no script img

Leo Kirch sitzt in der Zwickmühle

Der Axel-Springer-Verlag erhöht den Druck auf seinen Großaktionär. Kirch-Retter Rupert Murdoch spielt mit

Die ersten offiziellen Arbeitstage von Mathias Döpfner als neuer Chef des Springer-Vorstands hatten es in sich: Vor Weihnachten begann mit der redaktionellen Fusion von Welt und Berliner Morgenpost der interne Großputz, jetzt sind die Beteiligungsverhältnisse dran: Der Verkauf der Springer-Beteiligung an Kirchs Free-TV-Holding ProSiebenSat.1Media AG setzt nicht nur den längst angekündigten Ausstieg des Print-Hauses aus dem Sendergeschäft um und soll helfen, die Bilanz des Großverlags zu verbessern, der für 2001 wohl erstmals Verluste ausweisen muss. Döpfner setzt vielmehr alles auf eine Karte: Er will den ungeliebten Springer-Großaktionär Kirch so in die Enge treiben, dass dieser seinen 40 Prozent-Anteil am Verlagshaus aufzugeben bereit ist.

767 Millionen Euro hatten Springer und Kirch als Preis für die ProSiebenSat.1-Beteiligung ausgemacht. Der finanziell klamme Münchner Medienunternehmer, den insgesamt mehr als 5 Milliarden Euro Schulden drücken, versucht das neue Liquiditätsproblem juristisch zu umgehen: Die vereinbarte Verkaufsoption sei ungültig, da zu viele Punkte auf Wunsch des Springer-Verlags offen geblieben seien. Beide Seiten wollen nun nochmals nachverhandeln, bevor die Gerichte bemüht werden. Denn dort würden nicht nur pikante Details über die internen Absprachen, mit denen Springer Steuerabgaben umgehen wollte, bekannt. Döpfner könnte vielmehr mit der gesamten riskanten Palastrevolution scheitern.

Bayernhilfe scheidet aus

Das Risiko für Kirch ist ähnlich hoch: Der Freistaat Bayern, bislang über seine halbstaatliche Staatsbank ein verlässlicher Dauerbürge für den Medienunternehmer, scheidet als Kredtigeber diesmal aus: Ein Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU), der qua Amt als Bayerischer Ministerpräsident seinem Unionsfreund Kirch aus der Patsche hilft – von solcher „Wahlhilfe“ kann die SPD nur träumen.

Der entscheidende Dritte in dem gewagten Spiel Springer/Kirch war Mitte Januar bei beiden Kontrahenten: Rupert Murdoch. Der internationale Medienunternehmergilt als Kirchs aussichtsreichster Retter – und Erbe. Noch weigert sich die Kirch-Gruppe zwar, die laufenden Verhandlungen um Premiere World zu kommentieren.

Planspiele um Premiere

Doch Murdoch, der im Oktober entscheiden kann, seine Premier-Anteile für fixe 1,6 Milliarden Euro an Kirch zurückzugeben oder Mehrheit und Management der hochdefizitäten Pay-TV-Plattform zu übernehmen, hat sich längst öffentlich positioniert: hübscherweise in Springers Welt am Sonntag. Dort kritisierte er seinen Partner Kirch zwar deutlich („Leider hat er Fehler gemacht“), kündigte aber auch an, „keine feindseligen Schritte“ gegen ihn zu unternehmen: „In Deutschland wollen wir eine wichtigere Rolle bei Premiere spielen und den Sender erfolgreich machen.“ Kirch sitzt ohnehin in der Zwickmühle: Da er kaum an die Mittel kommen dürfte, um Murdoch auszuzahlen, kann er sich höchstens noch aussuchen, ob er mit Premiere erst noch in Konkurs geht. Oder gleich die Führung an Murdoch übergibt und so finanziell erheblich entlastet wäre.

Auch Springer kann mit einem solchen Arrangement leben. Über einen kompletten Kirch-Erben Murdoch wäre der Verlag dagegen alles andere als glücklich: Denn dann hätte Murdoch auch Einfluss auf Kirchs 40-Prozent-Anteil an der Axel Springer AG. Daher rühren wohl auch die Versuche Döpfners, jetzt gemeinsam mit Murdoch gegen Kirch Druck zu machen. Regelmäßig streuen die Springer-Blätter Berichte über den Stand der Premiere-Verhandlungen, die bis Juni abgeschlossen sein sollen. Und Murdoch spielt mit: Im WamS-Interview bestätigte er nicht nur seine Absichten in Sachen Premiere. Sondern schloss auch gleich noch kategorisch aus, an deutschen Zeitungen oder Verlagen überhaupt interessiert zu sein.

Weitgehend unbeachtet bleibt dabei Murdochs eigene Lage: Die gleicht durchaus der seines so bedrängten Partners Kirch: Auch Murdochs Medienimperium News Corp. ist hoch verschuldet und musste immer mal wieder durch spektakuläre Bankkredite gerettet werden. STG

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen