: Phantomjobs an der Elbe
Laut Arbeitsamt gibt es mehr Jobs als vorhanden sind ■ Von Frank Sommer und Gunther Sosna
Wer sich über den Stellen-Informations-Service (SIS) des Arbeitsamtes auf Jobsuche begibt wird die Absage „die Stelle ist bereits vergeben“, häufiger als nötig gehört haben.
Der arbeitslose Kfz-Mechaniker Richard T. hat seine Suchstrategie bereits umgestellt: “Ich gucke mir im SIS nur die aktuellen Angebote an. Bei den anderen lohnt es sich nicht, die sind oft schon weg.“
Eine Stichprobe kam zu ähnlichen Ergebnissen. 102 Hamburger Unternehmen wurden angerufen. Laut SIS waren sie Mitte vergangener Woche noch auf der Suche nach Personal. Tatsächlich wären aber nur noch 64 Stellen zu vergeben gewesen. 38 Jobs waren seit Wochen nicht mehr zu haben. Das Arbeitsamt kennt das Ärgernis.
Wenn heute die Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben werden, wird es wieder ungenaue Zahlen zu den offenen Stellen in der Hansestadt geben. Denn wie viele der 7339 offen gemeldeten Stellen (Stand Dezember 2001) tatsächlich noch zu besetzen waren, weiß dort niemand. „Wir haben keine verlässlichen Zahlen, wie wir das Problem eingrenzen könnten“, sagt Knut Böhrnsen, Pressesprecher des Hamburger Arbeitsamtes. Er bestätigt, dass die vergebenen Jobs weiter in der Statistik der offenen Stellen aufgeführt werden, wenn sie nicht abgemeldet wurden.
„Wenn uns die Besetzung nicht bekannt gegeben wird, dann erscheint die Stelle natürlich in der Statistik. Denn hellsehen können wir nicht“, so Böhrnsen. Er hält in erster Linie die Arbeitgeber für diesen Missstand verantwortlich: „Wir bitten die Arbeitgeber ständig, uns zu melden, wenn die Stelle besetzt ist.“
Böhrnsen räumt aber ein, dass es auch zu Versäumnissen im Arbeitsamt kommt: „Wenn uns die Stellenbesetzung allerdings per Fax erreicht, kann es aufgrund unserer Arbeitsüberlastung schon mal passieren, dass es eine Zeit liegen bleibt.“ Er rät den Griff zum Telefonhörer.
Genau das tat die Friseurmeisterin Ursula Zimmermanns. Sie suchte vor elf Monaten einen Jungfriseur für ihren Salon, stellte im Juli einen passenden Bewerber ein und meldete die Besetzung dem Arbeitsamt. „Ich habe vor über sechs Monaten angerufen und gesagt, dass die Stelle weg ist. Jetzt steht sie immer noch im SIS und ich bekomme immer noch Bewerbungen.“
Die meisten Arbeitgeber sehen die Schuld für das Verbleiben der bereits besetzten Stellen auf Seiten des Arbeitsamtes. Die Chefin einer Immobilienverwaltungsfirma, die einen Kaufmann suchte, zeigte sich sehr verärgert: „Das Arbeitsamt schalte ich zukünftig nicht mehr ein. Wenn wir wieder jemanden brauchen, suchen wir über die Zeitung.“
Die Stichprobe zeigte aber auch Lichtblicke am Hamburger Arbeitsmarkt. Wer seine Brötchen als Bäcker verdienen will kann sich gerne bei einer Bäckerei im Beerenweg melden. Voraussetzung: arabische Sprachkenntnisse und mehrjährige Erfahrung in der Herstellung von Baklava.
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