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Warnung vor einem „Bradford“ in Dänemark

Kopenhagener Regierung kürzt Leistungen für Ausländer und will gegen „arrangierte“ Ehen vorgehen. Aktionstag gegen Rassismus geplant

STOCKHOLM taz ■ Morgen will Dänemark zeigen, dass das Bild eines rassistischen und ausländer-feindlichen Landes nur einen Teil der Realität wiedergibt. Sechzig Organisationen von Antirassismusgruppen bis zu Gewerkschaften, von Attac bis zu „Ikea“ haben zum „Freitag gegen Fremdenfurcht“ aufgerufen. Von 16 bis 16.30 Uhr sollen die DänInnen, die den Kurs ihrer Regierung verurteilen, symbolisch und tatsächlich Haus- und Wohnungstüren öffnen, es gibt Kundgebungen in Kopenhagen und anderen Städten. Ein spätes Erwachen, nachdem die Rechtskoalition unter Anders Fogh Rasmussen in dieser Woche ihre Parlamentsmehrheit für den Staatshaushalt sicherstellte – durch eine Vereinbarung mit der rechtspopulistisch-rassistischen Dänischen Volkspartei.

Damit sind auch die Pläne für die vorgesehenen Sozialhilfekürzungen für AusländerInnen abgesegnet. Sie beinhalten, dass die Einkünfte einer Familie mit zwei Kindern sich von jetzt rund 2.800 Euro im Monat halbieren werden. Alleinstehende müssen mit 680 Euro klarkommen – 25 Prozent weniger als der Satz, den ein Institut schon 1999 als Existenzminimum errechnet hatte.

„Ein klassisches Rezept für eine Katastrophe“, nennt dies Bashy Quraishy, Präsident des Europäischen Netzwerks gegen Rassismus (ENAR). Der soziale Kahlschlag werde Gräben aufreißen, die Polarisierung wachsen lassen: „In spätestens vier Jahren“, so Quraishy, „hat Dänemark sein eigenes ,Bradford‘, seine eigenen Einwandererkrawalle.“

„Andere Länder werden uns bald folgen“, hatte sich Dänemarks Flüchtlingsminister Bertel Haarder gegen die internationale Kritik an der Verschärfung des Ausländerrechts verteidigt. Das scheint sich für ein Detail des Einwanderungsstopp-Pakets zu bewahrheiten: die Heraufsetzung des Alters für heiratsbedingte Familienzusammenführung von 18 auf 24 Jahre. Kopenhagen wirbt dafür mit dem Argument, dass dies neben dem gewünschten Antizuwanderungseffekt auch im Interesse ausländischer Jugendlicher sei, da es „Zwangsehen“ stoppen werde.

Nach einem Mord vor zwei Wochen in Schweden, wo ein Kurde seine Tochter erschoss, weil diese den von der Familie ausgesuchten Ehepartner abgelehnt hatte, wird nun in allen skandinavischen Ländern diskutiert, ob eine Altersgrenze ein Mittel gegen Zwangsehen und ähnliche Tragödien sein könnte.

Der türkische Botschafter in Dänemark Fügen Ok hält das für wirkungslos: „Dann wartet der Partner so lange, bis er das richtige Alter hat.“ In der Türkei habe man die Erfahrung gemacht, dass gegen von Familien arrangierte Zwangsehen schwer anzugehen sei. KritikerInnen sehen in der jetzigen Debatte ein Beispiel dafür, wie kriminelle Einzelfälle zu einem unverantwortlichen Mischmasch über islamische Kultur, Familientraditionen und Heiraten zwischen Geschwisterkindern gemacht und so ausländerfeindliche Stimmungen verstärkt werden.

REINHARD WOLFF

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