piwik no script img

Unter Rosen zu Tode gebettet

Hildegard Knef zu Grabe getragen: Tochter Christina Gardiner zeigt sich der Mutter gewachsen und wirft dem Sarg keine Blume hinterher. Bürgermeister Wowereits Ansprache von Homohasser gestört

von JAN FEDDERSEN

Hätte es ihr gefallen? Kein Gedrängel wie bei der Beerdigung Marlene Dietrichs vor knapp zehn Jahren, keine Kämpfe um die besten Plätze auf dem Friedhof? Musik von E bis U, anfänglich eine Bach’sche Phantasie in G-moll, dann Lennons „Imagine“ kammerjazzig live gespielt von einer Band samt Kai Rautenberg und Till Brönner, musikalisch die engsten Weggefährten der Knef, schließlich eine Aufnahme aus der Konserve mit ihrer Stimme und dem Song „Ich dreh mich nochmal um“. Später auf dem Friedhof ein Streichquartett mit „Yesterday“ und Griegs „Solveigs Lied“. Wäre sie zufrieden gewesen, dass auf ihr Grab – akribisch aufgezeichnet von den Fernsehkameras der ARD – Hunderte von roten Rosen geworfen werden?

Um zwölf Uhr jedenfalls war die Gedächtniskirche voll besetzt. Freunde der Knef, Fans ihrer Kunst, die Familie, ihr Mann Paul von Schell und die Tochter Christina („Tinta“) Gardiner, vor drei Tagen aus Los Angeles angereist. In den ersten Reihen Politiker wie Klaus Schütz und Eberhard Diepgen, Regierende Bürgermeister von einst, natürlich Knefs Kollegen wie Judy Winter, Lilo Pulver, Gisela May, Klaus Hoffmann, Arthur Brauner, Günter Pfitzmann und Nina Hagen, die später auf dem Waldfriedhof Zehlendorf keine Rose auf den Sarg werfen sollte, sondern einen goldenen Schal und in buddhistischer Tradition Räucherstäbchen anzündete.

Pastorin Sylvia von Kekulé sprach davon, das Johannesevangelium ein ums andere Mal zitierend („Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“), die Knef habe „gelebt mit jeder Faser ihres Herzens“, wäre „voller Lebenslust“ gewesen. Das sei nun vorbei, und „das tut so weh“. Danach sollte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zu Wort kommen – aber er musste die Nerven bewahren, denn ehe er sprechen konnte, sprang ein Gemeindemitglied hoch und rief erregt „schwul“ und „die Bibel verbietet Homosexualität“.

Ein empörtes Murren der Trauergemeinde ob dieser Geschmack- wie Pietätlosigkeit unterstützte die Sicherheitskräfte, die den Mann umgehend aus der Kirche entfernten. Wowereit konnte schließlich reden. Sprach davon, dass Hildegard Knef nach dem Nationalsozialismus den Deutschen ein ganz anderes Bild von der Frau gegeben habe. Erinnerte an ihren Film „Die Sünderin“, an ihre Zeit am Broadway, an ihre Chansons und die Bücher, die ihr in vielen Herzen einen Platz gesichert hätten. Und am Ende, ehe er sich vor dem hellen Birkensarg verneigte: „Für Dich wird es immer tausend Rosen regnen in unserer, in Deiner Stadt Berlin. Berlin sagt Danke.“

Immer wieder war von Rosen die Rede, von roten Rosen und davon, dass Hildegard Knef, als sie dieses Lied schrieb, nicht gewusst habe, dass diese Blume auch Dornen habe. Nur die Pastorin Sylvia von Kekulé wich von dieser Einseitigkeit ab und verriet in ihrer Predigt, gerichtet an den Witwer, den Kosenamen, mit dem die Knef Paul von Schell bedacht hatte: „Schnuppi“ – ein hauspuschiges Zeichen, das man von ihr gar nicht kannte. Lilo Pulver, Filmschauspielerin und wie die Knef in den Wirtschaftswunderjahren berühmt geworden, war eine der wenigen, die umstandslos davon sprach – und dabei auch verhältnismäßig viel lachte –, dass sie und ihr Mann mit der Knef gelegentlich viel Spaß hatten: „Sie war schön, einmalig, witzig, humorvoll.“

Als der Sarg der Knef aus der Gedächtniskirche getragen wurde, klatschten draußen die Leute, die die Trauerfeier über Lautsprecher verfolgen konnten: „Bravo Hilde“ und „Mach et jut“ wurde gerufen.

Während der halbstündigen Fahrt zum Friedhof in Zehlendorf hatte es zu regnen begonnen, als hätte ein Regisseur mit Sinn für offenkundige Symbolik es bestellt. Von den Angehörigen und Freunden abgesehen waren es wohl etwa 300 Menschen, die der Knef dort die letzte Ehre erwiesen. Ganz in der Nähe des Grabes von Willy Brandt, einem ihrer größten Verehrer und Freunde, liegt das Grab.

Rosen über Rosen prasselten auf den Sarg – nur eine schloss sich diesem Ritual nicht an: Knef-Tochter Christina, die wohl am ehesten weiß, was ihrer Mutter an Gefühligkeit zuzumuten gewesen wäre und was nicht. Knapp nickte sie dem Sarg entgegen, warf etwas Erde in die Grube und ging wieder, rosenwurflos. Sie war die Einzige, die ihre Trauer erkennbar machte und sich so ihrer Mutter gewachsen zeigte – nicht allein mit versteinerter Miene, sondern Paul von Schell tröstend und später mit Trauergästen fast heiter. Als tauschten sie letzte und vorletzte Anekdoten über ihre Mutter aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen