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erhards enkel maulenNervöse CDU, sparsame SPD

Die Blaue-Brief-Affäre ist abgewendet und Finanzminister Eichels Null-Defizit-Versprechen hinter die nächsten Wahlen verlegt. Was bleibt, ist eine dauerhafte Beschädigung des EU-Stabilitätspaktes. Das behaupten jedenfalls die Politiker der CDU. Wenn das große Deutschland schon die Regeln verbiege, um einer Vorwarnung zu entgehen – wie soll da noch glaubwürdig den anderen unsicheren Kantonisten die Einhaltung einer Schulden-Obergrenze abverlangt werden?

kommentarvon DIETMAR BARTZ

Doch so viel Kopfschütteln die deutschen Manöver gegen den blauen Brief in der EU hervorgerufen haben – im Grunde bestreitet niemand, dass 2,7 Prozent Staatsschulden zu viel sind. Die europäische Debatte zeigt ganz im Gegensatz zu den CDU-Behauptungen, wie wenig die Vorgaben des Stabilitätspaktes in Frage stehen. Insofern ist die Diskussion über den begrenzten Regelverstoß der Bundesregierung erhellend – und fast beruhigend. Das Argument der CDU zielt zwar auf die anderen EU-Mitglieder, ist aber für den heimischen Gebrauch gedacht.

Die Oppositionsführer müssen den Finanzminister mit aller Macht attackieren. Denn SPD-Chefsparer Hans Eichel hat der CDU den Rang darin abgelaufen, die kompetente Kraft für eine solide Staatsfinanzierung darzustellen. Wenn sich dieser Eindruck beim Wahlvolk konsolidiert, muss die CDU fürchten, die Arbeit von Jahrzehnten vertan zu haben.

Über viele Legislaturperioden haben die Konservativen ihr Credo von Geldwertstabilität und Inflationsbekämpfung außerordentlich erfolgreich heruntergebetet. Die Grünen waren davon schon überzeugt, bevor Kohl abgewählt wurde. Und auch bei der SPD war das Dogma der Inflationsbekämpfung bestens aufgehoben.

Das schien nach der Schröder-Wahl zunächst gefährdet: Finanzminister Lafontaine hätte lieber ein paar Prozent Inflation gesehen als ein paar Prozent Arbeitslose. So war, als er das Kabinett verließ, zunächst nur mit einem schlichten Weiterleben der Stabilitätspolitik zu rechnen. Die eigentliche Leistung von Lafontaine-Nachfolger Eichel bestand darin, sie zur Sparpolitik weiterzuentwickeln – worin die CDU-Bundesregierungen stets versagt hatten.

Wer an der Macht bleiben will, braucht überzeugende Prinzipien. In der Wirtschaftspolitik hat die CDU vorgeführt, wie so etwas geht – die SPD hat daraus gelernt. Und die CDU zeigt mit viel tagespolitischem Gedonner, dass sie das gemerkt hat.

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