: Sauber und rein und ohne Blutflecken
■ Ewig wunschloses Unglück mit „Lloyd Cole & The Commotions“
In Zeiten, wo über blutige Nasen und aufgeschnitte Stirnen von Party-Tier Andrew W.K., der sich letzteres übrigens beim jungen Rainald Goetz abgeschaut hat, der das bei den Klagenfurter Literaturtagen Anfang der 80er tat, gejubelt und die Wiederbelebung gar schmutzigen Rock'n'Rolls beschworen wird, freut man sich. Dass nämlich auch die andere Seite der 80er zurückkehrt, die der schmalen Männer in gutgeschnittenen Anzügen, die voller Melancholie von Plattencovern blicken. Da fallen einem natürlich sofort Lloyd Cole & The Commotions ein, die englisch-schottischen Bon Vivants, die Mitte der 80er Jahre mit ihren Alben Rattlesnakes (1984) und Easy Pieces (1985) und Hits wie „Perfect Skin“, „Sean Penn Blues“ oder „Lost Weekend“ mit dem Sticker „Britischer Gitarrenpop“ belegt wurden. Allen voran Lloyd Cole selbst, ehemaliger Philosophiestudent und erklärter Fan vor allem französischer Filme, dessen weinerlich-krächzige Stimme die fein ziselierten Gitarren- und Bassläufe, das hallige Schlagzeug und das andere Instrumentarium zu veredeln wusste und der zumeist über Frauen sang: mal über die schönen, kühlen unerreichbaren Frauen, dann wieder über die Erreichbaren, mit denen mann trinkt und nächtelang Countrymusik hört, aber nicht ins Bett geht.
Besserung war nie in Sicht: Immer suhlte sich Herr Cole im wunschlosen Unglück. Und wir ZuhörerInnen fanden's wunderbar, hörten die Platten rauf und runter und ließen uns die traurigsten Zeilen auf die Seelen pinseln.
Schon vor dem Ende von Lloyd Cole & The Commotions Anfang der 90er begab sich Cole auf Solopfade, nahm ein paar erfolglose Platten auf, um dann mit dem 1993er Album Bad Vibes, einem Werk voller Psychedelik und Elektronika, wieder Gehör zu finden. Und seine 1995 erschienene minimalistisch-folkige Love Story brachte richtig Erfolg. Bis Herbst 2000 machte er dann erstmal Pause.
Dazwischen gabs Probleme mit Plattenfirmen, eine zerbrochene Beziehung in England, ein halbes Jahr Aufenthalt in New York, eine neue Beziehung inklusive Heirat und Kind ebenfalls in den USA, und schließlich im Jahr 1999 die Veröffentlichung von The Negatives, wie sich gleichzeitig auch seine neue Band nennt. Bereits im vorletzten Jahr spielte Lloyd Cole mit neuer Band in Hamburg und wusste alle als Geschichtenerzähler und charmanter Witzbold zu verzaubern.
Heute ist er wieder hier, um seine aktuelle Platte Etc. vorzustellen, die voller fast sonniger Meisterstückchen ist und unter anderem eine tolle Coverversion des Bob-Dylan-Klassikers „You're a Big Girl Now“ enthält. Und mit dem Instrumental-Album Plastic Wood wurde noch ein Album voller Colescher Soundtrack-Ideen veröffentlicht. Was auffällt: Statt trauriger Augen blicken nun Kleidungsstücke von den Covern. Sauber und rein und ohne Blutflecken, natürlich.
Barbara Schulz
heute, 21 Uhr, Schlachthof
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