: Brief an Gerhard S.
Parteichefs von CDU und FDP beschweren sich bei Kanzler über Stiegler. Regierung hofft trotz allen Zwists auf Kompromiss bei Zuwanderung
BERLIN taz ■ Die Bundesregierung glaubt trotz der Kritik von CDU und CSU immer noch an einen Kompromiss beim Zuwanderungsgesetz. Ein neuerlicher Versuch der Einigung soll bei einem Gespräch am kommenden Mittwoch in Berlin unternommen werden. Eine Einigung sei möglich, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Rainer Lingenthal, gestern in Berlin. Lingenthal begründete seinen Optimismus mit einer etwas eigenwilligen Interpretation des Spitzengesprächs von CDU und CSU vom Vortag. Er nannte die kompromisslosen Äußerungen beider Parteien in der Zuwanderungsfrage „ein positives Signal“. Zu der Forderung der Union nach Vorlage eines überarbeiteten Gesetzentwurfs merkte Lingenthal an, dass beim Stand des parlamentarischen Verfahrens Änderungsanträge nur von den Fraktionen kommen könnten.
Die Regierung ist offenbar auch davon überzeugt, dass die Opposition nicht auf ihrer Forderung beharrt, erst dann wieder über die Zuwanderung zu verhandeln, wenn sich SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler für seine umstrittenen Äußerungen entschuldigt. „Wir haben bisher keine Absage für das Gespräch nächste Woche bekommen“, sagte Lingenthal. Er forderte die Opposition auf, die „historische Debatte“ und das „politische Procedere“ der Zuwanderungsregelung auseinander zu halten. Es wäre „ein Treppenwitz der Geschichte“, wenn eine Diskussion über 1933 ein Zukunftsthema im Jahre 2002 verhindern würde.
Der Vorwurf Stieglers, die bürgerlichen Parteien der Weimarer Republik hätten zur Machtergreifung Hitlers beigetragen, hat sogar die beiden Parteichefs Guido Westerwelle (FDP) und Angela Merkel (CDU) fest vereint. Sie schrieben einen gemeinsamen Protestbrief an Gerhard Schröder. „Es ist an Ihnen, dieses ehrverletzende Verhalten mit klaren Worten zu beenden“, heißt es darin. Regierungssprecher Bela Anda wollte sich zu dem Brief zunächst nicht äußern, weil er nicht an den Bundeskanzler, sondern an den SPD-Vorsitzenden Gerhard Schröder gerichtet sei. Später dann nannte er die Debatten um Stiegler und die Zuwanderung „zwei verschiedene Paar Schuhe“. JENS KÖNIG
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