village voiceLaub und mehr: Die volle Ladung mit Antye Greie-Fuchs: Daten hier, Daten da
Für Laub ging es damit los, dass sie der erste Act auf dem damals noch voll auf Postrock programmierten Label Kitty Yo waren, der plötzlich mit Pop in Zusammenhang gebracht werden konnte. Ihre erste Platte „Kopflastig“ war voller Reminiszenzen an TripHop, wie er von Portishead gepflegt wurde. Dann war da noch dieser Gesang von Antye Greie-Fuchs, dargereicht in deutscher Sprache. Deutsch rappende HipHopper wurden zu der Zeit noch als enorme Belästigung empfunden, deutschsprachiger TripHop war ein regelrechtes Sakrileg.
Inzwischen sind Laub bei „Filesharing“ musikalisch längst woanders, doch die Stimme von Greie-Fuchs bohrt sich immer noch gnadenlos sprechgesangsartig durch die elektronischen Soundgewölbe an die Oberfläche, und das in einer Penetranz, die schlicht nicht ignorierbar ist. Über die Qualität der Dichtkunst in Strophen wie „Würd’ dich gern seh’n, am Kiosk stehen, aus Versehen“ lässt sich außerdem streiten. Laub sind ein schwieriger Fall. Worauf sie wahrscheinlich stolz sind.
Sie sind eine Streberband, was nicht böse gemeint ist. Ein innerer Motor treibt dieses Projekt an, ständig ist man in Bewegung, um ja nie stehen zu bleiben. Bloß das nicht. Das Duo Jotka und Greie-Fuchs war zwischenzeitlich ein Trio, jetzt ist man wieder zu zweit. Musikalisch ging es von TripHop über Drum ’n’ Bass hin zu experimenteller Elektronik, wobei man immer der Möglichkeitenausschöpfung aktuellster Rechnerkapazitäten gerecht wurde. „Filesharing“ heißt ihre aktuelle Platte, ein Begriff, der darauf hinweisen soll, dass man nicht wie in der Steinzeit gemeinsam produziert, sondern sich gegenseitig mit Datenfiles über das Netz gefüttert hat.
Vor allem Antye Greie-Fuchs scheint inzwischen geradezu wahnhaft nach immer neuen Filtern für ihren kreativen Drang zu fahnden. Schon immer war ihre Position innerhalb ihrer Band eine andere als die, den Gesangspart zu übernehmen und den Kerl an ihrer Seite an den Geräten herumschrauben zu lassen. Doch inzwischen behauptet sie sich mit bemerkenswerter Produktivität auch als Solokünstlerin, die alle Belange der Arbeit am Artefakt fest in den Händen hält.
In der letzten Zeit entstanden durch ihren entfesselten Forschungsdrang Soundinstallationen und unzählige Kollaborationen mit Elektronik-Größen wie Vladislav Delay oder Matthias Schaffhäuser. Neben „Filesharing“ gibt es deswegen auch zwei andere Alben unter ihrer maßgeblichen Beteiligung. Die volle Ladung Antye Greie-Fuchs halt.
Da ist vor allem ihre bemerkenswerte Soloplatte „Head Slash Bauch“, die nun wirklich gar keine Zugeständnisse mehr an Hörer macht, die in Musik den Tranquilizer nach einem anstrengenden Arbeitstag suchen. Die Platte enthält ausschließlich gecuttete Soundscapes, in die sich die stark mit Effekten bearbeitete Stimme von Greie-Fuchs wie ein zusätzlicher Datenstrom hineinmorpht. In ihrer Konsequenz und in der völligen Negierung der Pop-Elemente eine ziemlich radikale Platte.
Nicht ganz so weit geht Greie-Fuchs auf ihrer gemeinsamen Split-EP mit den Berlinern Glitch- Elektronikern von Kyborg. Hier demonstriert sie, dass sie jenseits der Pole Kakophonie und Pop, jenseits dieser unterschiedlichen Prinzipien des Schichtens und Verzahnens auch die totale Reduktion beherrscht, das Streberhafte weicht Gelassenheit. In ihren Beiträgen zur Platte macht sie das, was Kyborg auch machen: Mikroskopierten, entschlackten Minimaltechno. Das Problem, das man mit dem Einsatz ihrer Stimme haben kann, entfällt hier. Sie wurde einfach ersatzlos gestrichen.
ANDREAS HARTMANN
Laub: „Filesharing“ (Kitty Yo/EFA) AGF: „Head Slash Bauch“ (Orthlorng Musork) AGF/Kyborg: „Constant Variable 1“ (NBI)
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