schnittplatz: Zuwanderung im Spiegelbild
Endlich. Der lang ersehnte Konsens über das Zuwanderungsgesetz ist erreicht. Was keiner mehr für möglich hielt, Otto Schily und Gerhard Schröder haben es doch noch geschafft. Das letzte Kompromissangebot der Koalition war ein voller Erfolg. Die vielen Zugeständnisse und all die mühsamen Verhandlungen – es hat sich gelohnt. Von rechts bis links, egal woher sie kommen – alle stimmen dem rot-grünen Gesetzeswerk zu. Und das kurz vor der Wahl. Ist ein Wunder geschehen?
Nein, keine Sorge, Sie haben keine Meldung im Politikteil verpasst. Die Mehrheit im Bundesrat ist noch nicht sicher. Zwischen Brandenburg und Berlin wird immer noch gefeilscht, und wahrscheinlich geht das Ganze weiter bis zum Vermittlungsausschuss. Schily und Schröder dürfen sich trotzdem freuen. Denn im Wahlkampf ist es weniger wichtig, ob ein Brandenburger CDU-Minister zustimmt. Wichtiger ist, was die Wähler denken – und wie sie „informiert“ werden. Und da haben sich einige Blätter gewendet – hin zum Konsens à la Rot-Grün.
Kaum hatten Umfragen wachsenden Überdruss wegen des Parteiengezänks und steigende Zustimmung zum Zuwanderungsgesetz ermittelt, da schalteten auch die eher regierungskritischen Medien um. Nach dem letzten rot-grünen Angebot in der vergangenen Woche schrieb die Bild-Zeitung erfreut vom „Durchbruch im Streit um die Zuwanderung“ und meldete am nächsten Tag verärgert: „Die Union schaltet auf stur.“ Auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lässt Stoiber alleine blockieren. Das Blatt spricht lieber die Mitte an – und bringt auf Seite 3 eine wohlwollende Reportage über das idyllische Zusammenleben von Deutschen und ausländischen Mitbürgern im bayerischen Burgkirchen. So wird konservativen Lesern die Angst vor mehr Zuwanderung genommen.
Aber auch was der Spiegel macht, kann Schily und Schröder nur recht(s) sein. Nicht zum ersten Mal warnte das Hamburger Magazin gestern ausführlich vor „importierter Kriminalität“, ausländischen Drogendealern und gefährlichen „Parallelgesellschaften“. So wird dem linken Publikum erklärt, warum es „Begrenzung“ und restriktive Vorschriften braucht im neuen Gesetz. LUKAS WALLRAFF
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