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Besser als das Amen in der Kirche

Peter Anhalt besitzt die Lizenz zum Predigen. In seiner Theologischen Praxis können Paare heiraten, die einen ungewöhnlichen Ort für den Bund der Ehe suchen und keine standardisierte Hochzeit wollen: „Nur unter Wasser traue ich mich nicht zu trauen“

von ANDREAS HERGETH

Zwei in Frankreich lebende Mecklenburger sind wild aufs Heiraten. Sie wollen sich erstens in ihrer alten Heimat und zweitens auf unkonventionelle Art und Weise das Jawort geben, wenn schon die Standesamt-Zeremonie eher kurz und schnöde ausfällt. Im Internet wurden die Heiratswilligen auf einen Berliner aufmerksam, der beide nun trauen wird. Das Hochzeitsritual ist für kommenden Sommer in Schwerin geplant. Dort findet dann der Fünf-Seen-Lauf, eine Art Massenmarathon, statt. Weil die beiden Exilmecklenburger passionierte Jogger sind, wollen sie mitlaufen, doch vor dem Start heiraten. Eltern, Freunde und Bekannte sind zwar eingeladen – aber offiziell zum Anfeuern für die vielen Kilometer. Dass sich beide zuvor das Jawort geben wollen, bleibt bis zuletzt geheim.

Die ungewöhnliche Hochzeitszeremonie wird ganz nach den Wünschen von Braut und Bräutigam von Peter Anhalt gestaltet. Es könnte sogar sein, dass die beiden im Sportdress heiraten. Kein Problem für den studierten Theologen, der sich mit seiner Theologischen Praxis vor einem Jahr selbstständig gemacht hat. Wer Kirchensteuer zahlt, kann sich bei Heirat oder Trauerfall an den Pfarrer halten. Der freie Theologe wendet sich jedoch an Menschen, die wie er selbst auch außerhalb der Grenzen kirchlicher Institutionen spirituelle Religiosität leben wollen.

Zum Thema Eheschließung fällt dem 39-Jährigen mehr ein als der Akt des Eheversprechens, das Feiern, Futtern und Tanzen. Im Gespräch wird zunächst ergründet, welche Vorstellungen das Paar selbst hat. Eins möchte im eigenen Garten heiraten und einen Ginkgobaum pflanzen; andere wollen sich am Strand oder auf einem Dampfer das Jawort geben. Auch sakrale Bauten sind gefragt, heutzutage kann man ja Kirchen mieten. „Nichts ist unmöglich“, sagt Anhalt „nur unter Wasser traue ich mich nicht zu trauen.“

Willkommen sind ihm alle Paare, die woanders (noch) nicht gern gesehen sind, „lesbische und schwule, bi-kulturelle wie bi-religiöse Paare“. Auch inhaltlich will der freie Theologe dem Hochzeitsritual mit Rede, Eheversprechen, symbolischen Akten, keltischen, indianischen oder afrikanischen Riten keine Grenzen setzen. Er schöpft dabei aus dem Studium und mehreren langen Afrika-Aufenthalten. Für ausgefallenere Wünsche recherchiert er, auf welchen religiösen wie spirituellen Wurzeln die Zeremonie basiert: „Seit Jahrtausenden begehen Menschen Übergänge in ihrer Entwicklung wie Geburt, Initiation, Hochzeit und Tod mit Ritualen.“ Der moderne Mensch von heute hat sie neu für sich entdeckt.

So wie die Geburt eines Sohnes, einer Tochter ein tiefes spirituelles Ereignis sein kann, das es zu feiern gilt, ist der Eintritt ins Erwachsenenalter eine Zäsur im Leben von Kindern wie Eltern. Letztere müssen lernen, loszulassen. Ein individuelles Ritual, das nichts mit den Massenabfertigungen von Jugendweihe- oder Konfirmationsfeiern zu tun hat, kann dabei helfen. So eine Zeremonie ist für Anhalt im Wald, am See oder sonstwo denkbar und kann etwa in einem Abenteuerwochenende münden, das Kind und Eltern getrennt verbringen.

Ähnlich vielfältig können die Formen von Trennungsritualen sein, die bislang noch nicht weit verbreitet sind, durchaus aber Sinn für Menschen haben, die den Verlust eines Arbeitsplatzes, eines guten Freundes, das Ende einer Beziehung oder einer Ehe verarbeiten wollen. „Im Mittelpunkt dabei steht die Erkenntnis, das jetzt etwas Neues kommt, aber neben Schmerz und Trauer auch viel Positives bleibt.“

Ob dabei das Wort Gott fällt oder nicht, ist für Peter Anhalt unwichtig. Für ihn zählt allein der Umstand, dass ein Ritual ein in der Öffentlichkeit abgegebenes Bekenntnis ist, aus „dem Kraft für die Zukunft“ geschöpft werden kann. Das gilt auch für den Tod. Die ungewöhnliche Sichtweise erscheint plausibel: Sterben und Tod bedeuten nicht nur Ende, sondern auch Neuanfang für die Zurückbleibenden. „Deshalb gehört zur Trauerfeier, angemessen Bilanz über das verflossene Leben zu ziehen und auch das zu erwähnen, was schief gelaufen ist“, sagt Peter Anhalt, der seit sieben Jahren bei Seelsorge und Krisenberatung ehrenamtlich arbeitet. Mit seiner Theologischen Praxis bietet er nun auch beruflich Hilfe und Begleitung in Lebenskrisen.

Schwierig wird es vor allem, wenn Hinterbliebene nichts Gutes über die Toten sagen können, weil seelische Narben noch zu tief sind. Die Alkoholkrankheit einer Frau verschwieg Anhalt zum Beispiel nicht, sondern versuchte zu erklären, dass die Verstorbene selbst alkoholkranke Eltern hatte und aus diesem Leidenskreis nicht ausbrechen konnte. „Es geht darum, in Frieden Abschied zu nehmen. Und die Trauerfeier kann ein erster Akt einer beginnenden Aussöhnung mit dem Toten sein.“ Egal ob dabei das „Ave Maria“, Jazzmusik, AC/DC-Gedröhn oder ein Gospellied erklingt.

Theologische Praxis Peter Anhalt,Telefon 41 71 95 26www.theologischepraxis.de

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