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Im Namen der Rose

Mit der Frauensenatorin Gregor Gysi durch den Internationalen Frauentag. Vom falschen Stolz der Herren zu den Frauen, die sich unterschätzen

„Natürlich hatte ich als Frauensenator gleich am ersten Tag den Spott zu Hause.“„Da, wo mir am wenigsten zugetraut wird, werde ich besonders ehrgeizig.“

von UTE SCHEUB

Wir schreiben den Internationalen Frauentag, und der Senator für Weiber und Wirtschaft fährt am Eingang der „Weiberwirtschaft“ vor. „Das größte Gründerinnenzentrum Europas“, wie sich die 60 unter einem Dach wirtschaftenden Unternehmerinnen in Berlin-Mitte selbstbewusst nennen, ist längst zu einer Attraktion geworden. Wenn ein Frauentag gefeiert, wenn bei einem Staatsbesuch ein Damenprogramm absolviert werden muss – auf in die Kreuzberger Weiberwirtschaft.

Nein, halt, noch nicht: Herr Frauensenatorin hat die roten Rosen im Auto vergessen. Eine Rose für die Dame vom Vorstand, eine Rose für die Dame vom Aufsichtsrat. Es beginnt der gemeinsame Rundgang. Gregor Gysi, seine Staatssekrätin Hildegard Nickel, die Bodyguards, die Wirtschaftsweiber und die Journaille.

Zuerst der Kindergarten. Bei einem Frauenprojekt ist die Kita natürlich im Haus, und einige der 38 Kinder spähen neugierig, was denn der Menschenauflauf soll. Achtung! Politiker nähert sich Kind von vorn! Kamera läuft! Schreibblock ist bereit! Gleich könnte es rührend, entzückend, peinlich werden. Die Spannung steigt: Nimmt er den Rotzbengel in den Arm? Küsst er ihn gar? „Was bist du denn für ein Held?“, fragt der fremde Herr, und der Held weist ihn freundlich zurecht, dass er schon ganze sechs Jahre alt ist. Kurve gekriegt, Peinlichkeiten umschifft, Kita absolviert. Klappe.

Dann ein Atelier. Hier arbeitet Konscha Schostak, an Körpergröße erheblich länger als der prominente Besucher. Sie schmirgelt an ihren zwei nackerten weißen Apolls, noch viel größer als die Menschlein um sie herum. Die Künstlerin kopiert gefährdete Statuen aus Sanssouci: Die Originale kommen in ein Depot, die Kopien in den Park. Nackerte Männer interessieren den Besucher nicht so sehr, an weiblicher Aufmerksamkeit scheint ihm mehr gelegen: „Helfen Sie sich im Haus gegenseitig? Geben Sie sich auch gegenseitig Aufträge? Sind bei Hoffesten auch Kerle zugelassen?“ Eine Rose zum Abschluss, wo ist die Rose geblieben?

Jetzt zum nächsten Ein-Frau-Betrieb, einem Versand für Deko- und Geschenkesets. Die Regale biegen sich unter Perlchen, Deckchen, Kerzchen, Herzchen. Munter erzählt die schöne Besitzerin, dass sie auch mit dem Erotikkaufhaus La Luna zusammenarbeitet. Die Spannung steigt, die Schreibblocks sind gezückt. Ach nein, der Herr verzichtet hier lieber auf Details, statt dessen, „aua“, hier, bitte schön, eine Rose. Eine nur? Die Dame ist enttäuscht. Sie kriegt fünf. Aber der Herr kriegt auch was. Ein Geschenkeset mit dem Schriftzug „PDS“, ganz aus Sand. Ob ihn das freut?

Hinauf ins oberste Stockwerk, zur Dinox GmbH. „Hier werden Frauen zur Ader gelassen“, verkündet die resolute Chefin von fünf Angestellten. Im Besprechungsraum nackte Akte, darunter stapelweise Röhrchen für Bluttests, im Nebenraum Geräte zur „transvaginalen Sonographie“. Die Kameras sind bereit, die Schreibblocks gezückt. Eine Vampirstation? Nein, nur Arzneimittelprüfung. Antibabypillen von Schering und Co. werden auf ihre Verträglichkeit mit anderen Medikamenten getestet, an Freiwilligen. „Ich weiß ja nicht“, zögert der hohe Besuch. Eine Rose verschenkt er trotzdem.

Pause im Tagungsraum. Gysi ganz allein unter Frauen – sieht man von ein paar Herren der Presse ab. Er scheint die Situation sichtlich zu genießen: Dutzende weibliche Augenpaare, alle auf ihn gerichtet. Vielleicht hat er ihn sich genau so vorgestellt, seinen neuen Job. Dafür hat er denn vielleicht auch gern aufzusagen gelernt, was ihm seine kundige Staatssektärin aus der Frauenforschung mitzuteilen weiß: Dass Frauen die besseren Unternehmerinnen sind, weil sie weniger Risiken eingehen und Kredite pünktlicher zurückzahlen. Dass sie es als Existenzgründerinnen aber schwerer haben, weil die Banken ihnen weniger zutrauen und sie sich selbst auch.

„Frauen unterschätzen sich ständig, Männer überschätzen sich ständig“, sagt der Frauensenator, und seine Zuhörerinnen lachen. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer habe ihm erzählt, dass man 60 bis 80 Prozent der von Pleite bedrohten Unternehmen retten könnte, wenn die Männer früher um Hilfe bäten und nicht so viel „falschen Stolz“ besäßen. So was freut die Runde.

Hat die Presse noch Fragen? Ja. Den Vormittag des Internationalen Frauentags haben Sie beim Finanzsenator verbracht, um über den Etat für Frauenprojekte zu verhandeln? Ja, „durchaus erfolgreich“ sei er gewesen, „wenn überhaupt, dann sind die Kürzungen minimal“. War es richtig, Frauensenator zu werden? „Natürlich hatte ich gleich am ersten Tag den Spott schon zu Hause. Aber da, wo mir am wenigsten zugetraut wird, werde ich besonders ehrgeizig.“ Sind Frauen die besseren Kapitalistinnen? „Ja, sie sind ja auch die besseren Sozialistinnen.“ Welch ein Charmeur, man kennt ihn so. Und nun auch wieder Rosen, diesmal für die Damen der Presse.

Abgang. Klappe. Fahrt nach Schöneberg, Auftritt im DGB-Haus vor 200 bereits heftig wartenden Frauen. Diskussionsrunde auf der Bühne mit verschiedenen GewerkschaftsvertreterInnen. Gysi erzählt wieder die Geschichte von den bescheidenen Unternehmerinnen und den eitlen Unternehmern: „Frauen unterschätzen sich ständig, Männer überschätzen sich ständig“, und der Saal lacht und klatscht. Gestern, am Vorabend des Frauentags, da sei er in einem Krankenhaus gewesen, bei einem Postverteilungsdienst, in einer Polizeistation. Ja, und auch in einem Bordell. Rein dienstlich natürlich, schließlich sei er „glücklich verheiratet“. Gekicher im Saal. „Denn das Verlogenste an dieser Männerwelt ist“, schmettert der Herr Frauensenatorin, „dass sie sich seit Jahrhunderten an Prostituierten bedient und sie gleichzeitig diskriminiert!“ Der Saal jubelt. Ein Heimspiel für einen Frauenfreund. Aber woher jetzt 200 Rosen nehmen?

Klappe. Fahrt nach Mitte zum Roten Rathaus. Senatsempfang anlässlich des Frauentages. Saal überfüllt, Auftritt vor über tausend Frauen. Diesmal liest er seine Rede weitgehend vom Blatt ab – so ganz sicher scheint er sich noch nicht zu fühlen. Das übliche Programm einer Frauensenatorin, nicht mehr und nicht weniger: Der Berliner Aktionsplan gegen häusliche Gewalt werde ausgeweitet, die Universitäten würden verpflichtet, mehr Professuren mit Frauen zu besetzen. Und überhaupt, sagt Gysi, man sollte den Erfolg von Frauen auch bei Unternehmensgründungen viel stärker herausstellen, „die Männer überschätzen sich doch immer“. Jubelnder Applaus. Schon wieder ein Saal voller Frauen im Sturm erobert.

Eine Rose, nein, ein ganzer Blumenstrauß geht diesmal an Gabriele Schaffran-Deutschmann, Betriebsrätin bei Schering. Wegen ihrer besonderen Verdienste um die betriebliche Frauenförderung, sagt der Senator, sei sie zur diesjährigen Trägerin des Berliner Frauenpreises erkoren worden. Trotz erheblichen Widerstands seitens der Gewerkschaftsmänner und der Unternehmensleitung habe sie sich seit über zwanzig Jahren für Frauenförderung auf allen Ebenen stark gemacht.

Beifall, Jubel im ganzen Saal. Und noch ein Blumenstrauß für die Preisträgerin. Diesmal kriegt auch der Redner eine Rose. „Dass er den Frauen gefallen will“, zwinkert ein Journalistin im Rausgehen, „ist die beste Garantie dafür, dass er seinen Job gut macht.“

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