piwik no script img

Wetterprophet ohne richtigen Riecher

Uwe Wesp als Sprecher des Deutschen Wetterdienstes entlassen: Orkan „Anna“ wurde zu stürmisch

Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass ihm das Wetter zum Verhängnis werden könnte. Ausgerechnet ihm, Deutschlands ältestem Wetterfrosch, der den Zuschauern der „Heute“-Nachrichten seit 27 Jahren Tag für Tag die Ausläufer atlantischer Tiefdruckgebiete ankündigt, sie vor überfrierender Nässe warnt oder den Schwimmbadbesuch empfiehlt. Uwe Wesp, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD), der Mann mit der Fliege, hat nicht nur die Stärke des Orkans „Anna“ unterschätzt, sondern auch die Reaktionen, die seinen flapsigen Sprüchen zum Wind folgten.

Der Orkan Anna war Ende Februar mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 180 Kilometern pro Stunde über Norddeutschland gezogen, drei Menschen waren dabei von umstürzenden Bäumen erschlagen worden. In der Tagesschau der ARD, die vom DWD beliefert wird, war aber lediglich von starken bis stürmischen Windböen die Rede gewesen. „Die Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit ist nicht Hauptaufgabe des Wetterdienstes“, versuchte Wesp etwas unglücklich, die Versäumnisse der eigenen Behörde zu relativieren. Und: „Wenn Menschen bei einem solchen Umwetter von einem Baum erschlagen werden, ist das nicht die Schuld des Wetterdienstes.“ Sprach’s und war ein paar Tage später seinen Job los.

Dabei war der 59-jährige Wesp, der seit Juni 1986 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des DWD leitete, gar nicht selbst für die Panne verantwortlich. Denn auch der DWD, der 1999 die Stürme „Lothar“ und „Anatol“ zu spät erkannt hatte, hatte dieses Mal die Gefahr gesehen und gewarnt. Allerdings nur in den Regionalbüros der nördlichen Bundesländer. Warum es die Meldung nicht bis in die Zentrale nach Offenbach und dann in die Tagesschau schaffte, ist unklar. „Es war eine Kette von unglücklichen Zusammenhängen“, sagte DWD-Vorstandsmitglied Wolfgang Kusch am Montag. Er versicherte aber, dass es künftig in der Zusammenarbeit keine Informationspannen mehr geben werde.

Doch die Entscheidung kommt nicht nur für Wesp zu spät. Auch in der ARD wird Ulrich Wickert in den Tagesthemen seine wohl durchdachten Überleitungen zum Wetter künftig sein lassen müssen. Denn dem staatlichen DWD ist der begehrte Sendeplatz entzogen worden. Die private Konkurrenz steht mit Jörg Kachelmann ab April bereit, schon jetzt bestreitet er den täglichen Wetterbericht kurz vor der Tagesschau um 20 Uhr.

Kachelmann ist mit seinen munteren Sprüchen zwar mehr als 1 Million Euro teurer im Jahr. Aber dank des neuen Konzepts wird der Wetterbericht aus der Nachrichtensendung ausgekoppelt und kann teuer an Sponsoren verkauf werden. Mit rund 11.000 Euro rechnet die ARD pro Sendung. Viel wichtiger ist aber ein unschätzbarer Vorteil, den der Schweizer Kachelmann hat: Er erkannte „Anna“ auf Anhieb und warnte sogar davor.

Und was wird aus Uwe Wesp, dem Mann mit der Fliege? Dem studierten Meteorologen und Geophysiker, der mehr durch seine Fernsehauftritte und eigene Bücher bekannt wurde als durch die Arbeit als Wetterforscher? Er bleibt, wo er war: beim DWD und auch als Wetterprophet im ZDF. Nur den nächsten Sturm darf er hinterher nicht mehr kommentieren. Das macht dann ein PR-Mensch – wahrscheinlich ein bisschen professioneller. SUSANNE AMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen