: Traurig im Offbeat
Die Wahrheit im majestätischen Klang dieser Stimme: Die Ex-Kastrierte-Philosophin Katrin Achinger spielt im Bastard
Wie macht die das nur? Singt tief wie ein Bierkutscher und klingt doch schwerelos und verträumt und elfengleich. Die Stimme von Katrin Achinger erkennt man wieder. Nicht, weil sie eine so spezielle Phrasierung hätte, ein so eindeutiges Timbre. Nein, eher weil sie eine seltsame Balance zu halten versteht, weil sie sphärisch ist und doch ganz konkret und fest.
Viele Jahre lang war Katrin Achinger eine Hälfte der Kastrierten Philosophen. Mit Matthias Arfmann zersägte sie in der Nachfolge von Velvet Underground die Underground-Idylle, adaptierte später Reggae und schrieb intelligente Pop-Hymnen und existenzialistische Balladen. Ganz in Schwarz und strictly independent blieben die Kastrierten Philosophen ein ewiger Geheimtipp und trennten sich 1996, auch privat. Arfmann ist mittlerweile ein gefragter Produzent und Achinger hat gerade ein zweites Soloalbum herausgebracht. „Jump (Without a Warning)“ ist ein Versuch, die schweren düsteren Wolken auf dem Cover zum Klingen zu bringen.
„I Need A Friend“, singt Achinger oder „When I Find a Life“, eine Coverversion einer Komposition von Marianne Faithful. Ein anderer Song heißt „Rain (David’s Lullaby)“. David heißt Achingers und Arfmanns gemeinsamer Sohn. Die Alltäglichkeit der eigenen Traurigkeit zuzulassen, darum scheint es zu gehen. Und dieser Traurigkeit einen positiven Lebensentwurf abringen zu können. So wundert es trotz der schwerblütigen Grundstimmung nicht, dass viele Songs einen leichtfüßigen Offbeat haben. Das hat auch schlichte, produktionstechnische und historische Gründe. Schließlich ist Achinger großer Fan, seit sie Bob Marley live gesehen hat, und auch Arfmann hat für „Jump“ einige Songs abgemischt.
Arfmann gilt nicht erst seit seiner Arbeit für die Absoluten Beginner und Jan Delay als einer der größten Dub-Fachleute hierzulande. Auch Delay selbst aka Jan Eißfeldt hat mit Hand angelegt. Noch ein prominenter Name: In der Band, die die Tracks einspielte, bediente der New Yorker La-Monte-Young-Schüler Charles Curtis das Cello.
All das, ob nun verpackt als düsterer Rock, offenherziger Reggae oder freundlicher Funk, bildet vor allem aber die Grundlage für Achingers Stimme und ihren majestätischen Klang. Diese Stimme, und dazu muss man noch nicht einmal die Texte verstehen, diese Stimme erzählt von Wahrhaftigem. THOMAS WINKLER
Heute, 21 Uhr, Bastard im Prater, Kastanienallee 7–9, Prenzlauer Berg
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