: Vom Grill in die Hölle
Es gebiert: Die Galerie Engler und Piper zeigt die symbolisch aufgeladenen Arbeiten von Géraldine de Faucher
Ihre Bilder reichen von Anklängen an Kirchenmalerei bis zum Comic-Strip. Als ehemalige Theologiestudentin aus Straßburg hat Géraldine de Faucher in Berlin vom „Bunker“ über die „Querhauskatakomben“ bis zum „Pfefferberg“ und „Acud“ Ausstellungen und Performances gemacht, auch in der „Galerie Wolf“ stellte sie aus. Dabei rangieren die Titel ebenfalls in einem weiten Feld: von „Sucre automatique“ über die „10 Gebote und die 7 Todsünden“ bis zu „Ecce Homo“ oder „Wargames“.
Die in kräftigen, kontrastreichen Farben gehaltenen Ölgemälde zeigen oft entindividualisierte, fast roboterhafte Figuren vor abgrundschwarzem Fondo. Der flüchtige Betrachter von de Fauchers Bildern wird an cartooneske Wesen, an Science-Fiction-Geschöpfe und -Topografien erinnert werden. Flugzeuge – „Engel der Gegenwart“ in de Fauchers Worten – rekurrieren auf den Wunsch nach Transzendenz, der auch jedem ökonomisch-technologischen Ehrgeiz zugrunde liegt.
Immer wieder kreuzt de Faucher dabei archaisch-kollektive Elemente mit zeitgenössischen Inhalten. Gemälde wie „Der Sturz“, das ein aus der Vagina gleitendes Neugeborenes darstellt – in der amorphen Strudelhaftigkeit seiner Strichführung an Munchs „Der Schrei“, in seiner Thematik an Henri Matisses „La chute d'Icare“ (Der Sturz des Ikarus) erinnernd – stellen eine subjektive Interpretation von biblischen oder dem biblischen Themenspektrum in Eigenregie hinzuaddierten Bildinhalten dar.
Auf jedem Gemälde findet sich eine Gradzahl. 110 [o], 15 [o], 11 [o]sind die „Nebentitel“ der Gemälde – doch diese Gradzahlen zeigen keine Chronologie an, keine Schaffensperiode, keine direkt mit dem Bildinhalt korrespondierenden Hitze-Kälte-Angaben. In einem Text erklärt de Faucher ihre Verwendung ebenso selbstbewusst wie kryptisch: „Jedes meiner Bilder und jede meiner Skulpturen besitzt eine Gradnummer (…) Diese bezieht sich auf die Symbolik der Zahlen und auf meine Empfindung.“
Manchmal mischen sich bei ihr auch Zahlen und Buchstaben: Das Bild „Enfer“ (Die Hölle) ist mit 6 b 6 überschrieben – ein „besonderer“ Teufel? Viele Gemälde aus der Serie „C'est la vie“, die de Faucher im Untertitel „Bilder über die alltägliche Mittelmäßigkeit“ nennt, erinnern in ihrer üppigen, von satten Farben beherrschten, hermetischen Leere an de Chirico und Carra. „Le Miel“ (Der Honig) oder „L'Odeur des Pêches“ (Der Duft der Pfirsiche) heißen zwei der in ihrer vitalistischen Sinnlichkeit dennoch melancholisch und unzugänglich wirkenden Szenerien. Man muss unwillkürlich an die Einsamkeit beim Essen denken, an autistische Lustmomente. Da überrascht es nicht, dass eine muntere Grillpartydarstellung den Titel „L’Enfer“ (Die Hölle) trägt.
Im Gespräch mit de Faucher spürt man jedoch sofort, dass die in Religionswissenschaften und Psychologie beschlagene Künstlerin sich weit von populären esoterischen Glaubensinhalten entfernt hält. Mit Skepsis, Zweifel und Ironie spricht sie über die verschiedensten Gegenstände, als wäre sie mit jedweder Wahrheit und der Konkretion von Realität unzufrieden. So geht es von ihrem neu erfundenen Tarotspiel über ihre Runengemälde, über Reisepläne und Lieblingsgerichte. Am Ende sind wir bei Schokolade angelangt.
TANJA DÜCKERS
Géraldine de Faucher: „C'est la vie“; Galerie Engler & Piper, bis 29. 3. täglich 11–18 Uhr, Vernissage heute 20.00 Uhr, Kastanienallee 67, Mitte
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