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Besserer Schutz für Anleger

Neues Gesetz soll den Finanzplatz Deutschland fit machen, Aktionäre schützen und Terroristen ärgern. Bundestag stimmte zu, Bundesratsentscheidung im April. Gesetz könnte im Sommer in Kraft treten

von HERMANNUS PFEIFFER

Im August 2000 hatte die Firma Biodata einen Großauftrag aus Australien gemeldet: 6.000 Firewalls sollte die Softwareschmiede aus Frankenberg auf den fünften Kontinent liefern. Daraufhin explodierte der Aktienkurs am Neuen Markt. Erst mehr als ein Jahr später gab Biodata kleinlaut bekannt, dass der Auftrag geplatzt sei. Anlegerbetrug? Inzwischen ist der frühere Star des Neuen Marktes pleite, und die Aktionäre fühlen sich bewusst hinters Licht geführt. Sie zogen vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt gegen Biodata. Die Erfolgsaussichten für die Aktionäre sind jedoch schlecht, denn bislang ist das deutsche Finanzrecht nicht gewappnet gegen viele Marktmanipulationen von Aktiengesellschaften. Abhilfe schaffen sollte das 4. Finanzmarktförderungsgesetz, das am Freitag den Bundestag passierte.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung den Finanzplatz Deutschland modernisieren und ihn fit machen für den internationalen Wettbewerb um das globale Kapital. Zudem will Finanzminister Eichel die Anleger besser schützen. Worunter er vor allem Aktionäre versteht, obwohl nur 13 Millionen Bundesbürger Aktien oder Aktienfonds besitzen. Am vergangenen Freitag stimmte der Bundestag dem Gesetz zu, gegen die Stimmen von CDU/CSU. Bund und Länder hatten durch einige Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs vom November den Weg frei geräumt, trotz des Widerstandes aus der Opposition rechnet die Bundesregierung daher mit einer Zustimmung des Bundesrates im April. Das neue Finanzmarktförderungsgesetz könnte dann noch im Sommer in Kraft treten.

Zum Schutz der Anleger sollen die Märkte offener und die staatliche Aufsicht handlungsfähiger werden. Die Bundesregierung will vor allem die Transparenz der Aktiengesellschaften und die Integrität der Vorstände verbessern, womit sie auf den Zusammenbruch des Neuen Marktes im Jahr 2001 reagiert, zu dem damals diverse Mauscheleien in und von Unternehmen wie Biodata beigetragen hatten. Verbotene Kursmanipulationen von Aktien sollen erschwert werden. Die zukünftige einheitliche Allfinanzaufsicht wird daher wohl bereits im Mai starten und erhält durch das neue Gesetz härtere Zugriffsrechte als die jetzige Aufsicht, die obendrein in drei Ämter zersplittert ist. Die erweiterten Befugnisse für die Bundesaufsicht zählt Manfred Westphal zu den positiven Seiten der Reform. Westphal leitet den Fachbereich Finanzdienstleistungen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV) in Berlin

Vorstände müssen Aktienkäufe melden

Künftig müssen legale Aktiengeschäfte von Insidern beispielsweise im Internet innerhalb von einem Tag veröffentlicht werden. Vorstände und deren Familienangehörige, die Aktien des eigenen Unternehmens kaufen oder verkaufen, dürfen dies dann nicht mehr heimlich tun. „Solche Geschäfte können ein Indiz für die Bewertung der geschäftlichen Situation sein“, begründet Bundesfinanzminister Eichel die in den Vereinigten Staaten bereits erfolgreich praktizierte Regelung. Strafe droht zukünftig auch Aktienanalysten von Banken, wenn sie all zu gefällige Urteile über ein Unternehmen abgeben, das Kunde ihres Instituts ist. Börsennotierte Unternehmen wie Biodata sollen finanziell haften, wenn sie „kurserhebliche Tatsachen“ verheimlichen oder falsch darstellen. Geschädigte Aktionäre können auf einen – allerdings begrenzten Schadensersatz – hoffen.

Neu formuliert wird das teilweise noch aus dem Jahr 1896 (!) stammende Börsengesetz. Außerdem wird der Handlungsspielraum der acht deutschen Wertpapierbörsen erweitert. Eichel hofft, dass dadurch die Börsen nun „bedarfsgerecht“ reagieren können. Für Investmentfonds sollen weitere Anlagebeschränkungen fallen, und endlich wird auch die E-Money-Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umgesetzt. Dadurch soll letztlich auch das Online-Banking sicherer werden.

Im Kampf gegen die Geldwäsche geht das neue Gesetz sehr weit. Staatliche Ermittler in Steuerstrafsachen erhalten nun ein Auskunftsrecht von der Bank, das alles in allem sowieso löchrige Bankgeheimnis bleibt jedoch grundsätzlich gewahrt. Um den Terrorismus besser bekämpfen zu können, werden auch zusätzliche Kontenüberwachungen durch die neue Allfinanzaufsicht möglich („Konten-Screening“). Weiter gehende Kontrollen von Finanztransaktionen scheiterten am Wiederstand in den Regierungsparteien und in den Ländern – gut für den persönlichen Datenschutz, aber auch gut für Terroristen und Schwarzgeldunternehmer.

Kritik von Banken und Verbraucherschützern

Aktionärsverbände und Kreditwirtschaft stimmen dem Gesetz der Bundesregierung nur verhalten zu, dagegen melden die Verbraucherschützer deutliche Kritik an: Die Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin sieht „eklatante Lücken“. Insbesondere würden fehlerhafte Beratung und Anlagebetrug weiterhin begünstigt. „Ganze Themenfelder wie Grauer Kapitalmarkt oder die Vermittlung von Versicherungen liegen weiterhin brach“, beklagt Experte Westphal. Zudem fordert der VZBV eine weitere Verlängerung der Verjährungsfrist, um geprellten Verbrauchern den Rechtsweg zu erleichtern. Die bisherige Frist von sechs Monaten wird zwar auf ein Jahr erhöht, aber in den meisten kritischen Fällen ist auch dies zu kurz, damit geprellte Aktionäre Klage erheben können. So wären im Fall Biodata auch nach dem neuen Recht die Kursmanipulationen längst verjährt. Die Verbraucherzentralen fordern daher eine Ausdehnung der Verjährungsfrist auf drei Jahre. Übrigens ist dies die übliche Zeitspanne, wie sie auch das Bürgerliche Gesetzbuch vorsieht.

Die Banken sind trotz solcher Privilegien für die Finanzbranche unzufrieden. Sie kritisieren vor allem die teure Kontenüberwachung und fordern eine noch weiter gehende Liberalisierung des Finanzplatzes Deutschland.

www.bundesfinanzministerium.de

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