: Dioxin in Flughafennähe
In einem Teich auf dem Gelände des künftigen Großflughafens in Schönefeld wurden sehr hohe Konzentrationen des Seveso-Gifts Dioxin entdeckt. Airportgegner sprechen von Umweltkriminalität
von RICHARD ROTHER
Die Flughafengegner schlagen Alarm. Im Umfeld des künftigen Großflughafens Schönefeld sind mit Dioxin verseuchte Flächen entdeckt worden, auf denen die Konzentration des Seveso-Giftes sehr hoch ist. Darauf wies gestern der Bürgerverein Brandenburg Berlin (BVBB) hin. In einem Teich auf dem Gelände der geplanten südlichen Landebahn seien Dioxinkonzentrationen festgestellt worden, die den Grenzwert um das 350fache überschritten, kritisiert der BVBB. Der Grenzwert, bei dem der verseuchte Boden ausgetauscht werden muss, werde um das 3,5fache überschritten.
„Das ist ein Fall von Umweltkriminalität“, kritisierte BVBB-Chef Ferdi Breidbach. Aus einschlägigen Akten gehe nämlich hervor, dass das Problem seit Mitte der Neunzigerjahre bekannt sei. Es sei von dem Filz, der um den Flughafen herrsche, vertuscht worden. Vor einigen Wochen sei lediglich ein Zaun um den Teich gezogen worden.
Das Dioxin stammt wahrscheinlich aus der Zeit vor der Wende. Es wird vermutet, dass ein Desinfektionsmittel aus den Bordtoiletten der Flugzeuge in einem nahe gelegenen Klärwerk mit anderen Substanzen reagierte, wodurch dioxinhaltige Verbindungen entstanden. Der Teich wurde wahrscheinlich bei starkem Regen von der Kläranlage als Überlaufbecken benutzt.
Als Sofortmaßnahme fordert der BVBB jetzt die zuständigen Behörden auf, festzustellen, „in welchem Flächenumfang Boden und Grundwasser sowie Gewässer mit Dioxin unzulässig belastet sind“. Darüber hinaus müssten die Bürger der Gemeinde Diepensee eine Gesundheitsverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Schließlich könnten geringe Dioxinkonzentrationen bei Menschen zu Schäden wie Gedächtnisschwund führen, so der Bremer Umweltmediziner Rainer Frentzel-Beyme. Mit dem Dioxin-Störfall im norditalienischen Seveso, bei dem 1976 Haustiere verendeten, sei die Situation jedoch nicht vergleichbar. „Hier handelt es sich um einen schleichenden Prozess.“
Die Flughafenplanungsgesellschaft PPS erklärte gestern, sie sei weiterhin am Erwerb der dioxinbelasteten Grundstücke interessiert. Dazu habe man auch Untersuchungen über die Schadstoffbelastung veranlasst, erklärte PPS-Sprecher Burkhard Kieker. Unmittelbar nach Vorliegen der Messergebnisse seien die zuständigen Behörden Mitte März informiert worden. Diese prüften derzeit, ob das fragliche Erdreich sofort oder später entsorgt werden soll. Nach Auskunft der vom Flughafen mit der Untersuchung beauftragten Wissenschaftler sind die dioxinhaltigen Stoffe stabil im Schlamm des Tümpels gebunden. Die Gefahr einer unkontrollierten Verbreitung in der Umwelt, etwa in der Luft, bestehe nicht. Die Dioxinkonzentration sei allerdings sehr hoch.
Die Giftfunde könnten auch den Flughafenbau verzögern. Untersuchung und Entsorgung könnten bis zu sieben Jahre dauern, meint der Karlsruher Hydrologe Heinz Hötzel, der den BVBB berät. Dabei entstünden Kosten in zweistelliger Millionenhöhe.
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