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Ein Plan mit vielen Fragezeichen

Die saudi-arabische Friedensinitiative ist Makulatur – nicht nur wegen der erneuten Eskalation des Konflikts, sondern auch wegen alter Forderungen

Die Beweggründe der Saudis waren eigennützig: Seit dem 11. September steht das Land unter Druck aus dem Westen

von GERNOT ROTTER

Ist der Friedensplan, den Saudi-Arabien auf der Konferenz der Arabischen Liga in Beirut vorgelegt hat, von Anfang an Makulatur gewesen? Oder hat ihn erst der furchtbare Selbstmordanschlag, den ein palästinensischer Selbstmordattentäter zur gleichen Zeit im israelischen Netanja verübte, zur Makulatur werden lassen? Oder scheiterte er erst an der harten Reaktion, die Israel in der Nacht zum Karfreitag einleitete? Es ist müßig, die beiden letzten Fragen vor der ersten zu stellen. Und um die erste zu beantworten, muss man zunächst die Beweggründe betrachten, die den saudischen Kronprinzen Abdallah überhaupt zu seiner Friedensinitiative veranlasst haben.

Einer der schwerwiegendsten Beweggründe der Saudis war gewiss ein durchaus eigennütziger. Seit dem 11. September ist Saudi-Arabien in den westlichen Medien, auch in den USA, zunehmend in die Kritik geraten – weil es die Taliban, aber auch andere radikalislamische Gruppierungen lange Jahre unterstützt hatte (zumindest anfangs durchaus mit Billigung der USA). Fachleute hatten dies schon lange – erfolglos – angeprangert.

Allein aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus hofierte der Westen Saudi-Arabien jahrzehntelang, obwohl dort eine der repressivsten, islamisch-theokratisch verbrämten Diktaturen herrscht. Das wird nicht nur von arabischen Intellektuellen als typisch westliche Heuchelei gegeißelt, sondern auch im Westen immer häufiger thematisiert. Dieses Gesinnungswandels ist man sich in saudischen Regierungskreisen sehr schnell bewusst geworden, wie Berichte in saudischen Medien andeuten.

Außerdem wird im islamistischen Saudi-Arabien, das sich erstmals auch wachsenden Wirtschafts- und Finanzproblemen gegenübersieht, zunehmend eine islamistische Opposition im Untergrund aktiv. Sie nimmt den verlogenen bigotten Lebensstil der herrschenden Clique ins Visier. Das war nicht zuletzt auch ein Motiv Ussama Bin Ladens – und hat ihm in entsprechenden Kreisen durchaus Sympathien eingebracht.

Kronprinz Abdallah hat mit seiner Initiative die Flucht nach vorn ergriffen. Er versuchte einen Spagat: Einerseits suchte er sich dem Westen als ein Frieden und Ausgleich stiftender Monarch in spe zu präsentieren. Andererseits wollte er den anderen arabischen Staaten und auch der eigenen Opposition zeigen, dass er bereit war, sich in die vorderste Front zur Verteidigung der Palästinenser zu stellen.

Mit seinem Vorstoß brüskierte er zwar den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak, der von der saudischen Initiative offenbar völlig überrascht wurde, konsequenterweise nicht nach Beirut fuhr und nur seinen Ministerpräsidenten zum Gipfeltreffen schickte. Doch das dürfte ein willkommener Nebeneffekt gewesen sein. Schließlich ist das Ringen um die Wortführerschaft in der arabischen Welt zwischen Ägypten und Saudi-Arabien ein alter, nie eindeutig entschiedener Konflikt – bereits seit Nassers Zeiten.

Dennoch sah sich Ägypten auf der Konferenz in Beirut gezwungen, der saudischen Initiative zuzustimmen. Das Land hätte sich sonst isoliert und sich auch den Unwillen der USA zugezogen. Aus demselben Grund hat sich der syrische Präsident Assad der Friedensinitiative angeschlossen. Auch wenn er sie in seiner langen Rede – der längsten von allen auf der Konferenz – in die hinreichend bekannte antiisraelische Rhetorik verpackte, die schon sein Vater gepflegt hatte.

Auch die anderen arabischen Nachbarstaaten Israels – Jordanien und Libanon sowie natürlich auch die Palästinenser selbst – haben der saudischen Initiative trotz einiger Verstimmungen zwischen der palästinensischen Delegation und der libanesischen Konferenzleitung zugestimmt. Deshalb kann die Konferenz hinsichtlich der innerarabischen Verständigungsbereitschaft durchaus als Erfolg gewertet werden – auch wenn es am ersten Tag zu erheblichen Auseinandersetzungen kam, die arabische Kommentatoren schon ein Scheitern der Konferenz befürchten ließen.

Auf einem ganz anderen Blatt steht die Frage, ob diese Friedensinitiative auch erfolgreich umsetzbar ist – oder muss man nach der „Isolierung“ Arafats durch Israel bereits formulieren: „umsetzbar gewesen wäre“? Zwar könnte das Angebot der arabischen Staaten, ihr Verhältnis zu Israel im Falle eines Friedensabkommens zu normalisieren, zumindest für große Teile der israelischen Gesellschaft attraktiv sein, um aus der Gettosituation im Nahen Osten herauszukommen; altbekannte Pauschalforderungen sind aber die Voraussetzungen, die Israel gemäß der saudischen Initiative dafür erbringen müsste: den palästinensischen Flüchtlingen und ihren Nachkommen die Rückkehr zu erlauben, alle 1967 besetzten Gebiete vollständig zu räumen und Ostjerusalem als Hauptstadt des künftigen Staates Palästina anzuerkennen. Das sind Forderungen, auf die Scharon, aber auch jede andere israelische Regierung nie eingegangen ist und auch nie eingehen wird.

Aus israelischen Regierungskreisen verlautete zwar, dass man erst nach eingehender Prüfung des Abschlusskommunikees Stellung beziehen werde. Aber gleichzeitig wurde erklärt, dass der Begriff „normale Beziehungen“ zwischen Israel und den arabischen Staaten viel zu vage sei und dass man jegliches Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge ablehne. Den Palästinensern Ostjerusalem als künftige Hauptstadt zuzugestehen ist für konservative israelische Politiker ohnehin ein Tabuthema. Dass ein völliger Rückzug aus den besetzten Gebieten und die Räumung der jüdischen Siedlungen im Westjordanland zumindest unter Scharon nicht zu erwarten ist, hat dieser stets deutlich gemacht – schon allein deswegen, weil sonst seine Koalition zerbrechen würde.

Das Rückkehrrecht der Flüchtlinge scheint auch auf der Konferenz ein sehr umstrittenes Thema gewesen zu sein. Im Schlusskommunikee ist nur noch von „einer gerechten Lösung“ der Flüchtlingsfrage die Rede. So setzte sich der Libanon dagegen zu Wehr, den rund 360.000 dort lebenden Flüchtlingen ein dauerhaftes Bleiberecht zu garantieren. Das sei mit der Verfassung des Landes nicht vereinbar.

Ein anderes Ergebnis der Konferenz ist in den westlichen Medien kaum beachtet worden, obwohl es bereits in naher Zukunft große Bedeutung erlangen kann: die offizielle Aussöhnung zwischen Kuwait und dem Irak sowie die deutliche Warnung an die USA, dass ein amerikanischer Angriff auf den Irak als „eine Bedrohung der nationalen Sicherheit aller arabischen Staaten betrachtet würde“. Diese Warnung sollte die Regierung Bush durchaus ernst nehmen und in engem Zusammenhang mit der Friedensinitiative der Saudis sehen. Die wenigen Sympathien, die die USA in der arabischen Welt genießen, könnten vollends schwinden, wenn die Amerikaner den Irak angreifen und gleichzeitig Scharon walten lassen. Sollten sich die USA dies zu Herzen nehmen, wären die Beschlüsse von Beirut doch nicht zur Makulatur verdammt.

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