Ostermarsch gegen Israel

Nahezu zehntausend demonstrierten gegen die israelische Besatzungspolitik und gegen einen drohenden Krieg im Irak. Dominiert wurde der gestrige Ostermarsch von etwa 5.000 Palästinensern

von UWE RADA

„Kindermörder Israel!“ Ein etwa achtjähriger palästinensischer Junge wartet, bis die Menge den Spruch skandiert hat. Dann schwenkt er eine grüne Fahne mit arabischen Schriftzeichen und schreit selbst „Kindermörder Israel!“. Die palästinensischen Jugendlichen, aber auch ihre Väter und Mütter, haben inzwischen andere Parolen angestimmt, zum Beispiel: „Scharon ist ein Mörder und Faschist“ und: „Intifada bis zum Sieg“.

Palästinensische Parolen

Dass ein Ostermarsch von einer Gruppe für ihr Anliegen genutzt wird, ist spätestens seit den serbischen Demonstranten vor drei Jahren nichts Neues. Doch anders als damals, als der serbische Block mit seinen nationalistischen Parolen vom Rest der Demonstration faktisch isoliert war, geriet gestern der gesamte Ostermarsch mit seinen knapp 10.000 Teilnehmern zu einer antiisraelischen Demonstration.

Das lag nicht nur an den zahlreichen Transparenten wie „Israel ist ein terroristischer Staat“ und „Stoppt die finanzielle Unterstützung Israels“. Auch bei den zahlreichen Rednern stand neben der Teilnahme deutscher Soldaten bei den Kampfeinsätzen in Afghanistan oder am Horn von Afrika sowie einem drohenden Krieg gegen den Irak die israelische Besatzungspolitik im Westjordanland und im Gaza-Streifen im Vordergrund.

Schon zur Auftaktkundgebung am Alexanderplatz, an der etwa 2.000 Demonstranten teilnahmen, sagte Jutta Kausch von der Berliner Friedenskoordinaion: „Im Nahen Osten herrscht ein furchtbarer Krieg, in dem fast ein Volk ausgelöscht wird.“ In Anspielung auf die US-Politik von Präsident George W. Bush sagte Kausch weiter: „Es geht nicht um Krieg gegen Terror. Die Kriege, die jetzt geführt werden, sind selbst der Terror.“ Von einer Verurteilung palästinensischer Selbstmordanschläge war auf dem gestrigen Ostermarsch keine Rede.

Nach Jutta Kausch sprachen zwei Studenten, beide in weißen Strahlenschutzanzügen. Neben der Einschränkung der Freiheitsrechte durch die Bundesregierung und den „Otto-Katalog“ thematisierten auch sie die Lage in Nahost: „Wir fordern ein Ende des Terrors gegen die palästinensische Bevölkerung.“

Al-Aksa-Fotos

Solche Sätze finden bei den zahlreichen Palästinensern unter den Demonstranten großen Beifall. Viele der Jugendlichen haben sich Bänder in den palästinensischen Farben um die Stirn gebunden. Auf vielen Spruchbändern und Tüchern ist die Al-Aksa-Moschee abgebildet. Eine Frau Mitte fünfzig sagt: „Was derzeit in Palästina passiert, ist das Schlimmste, was es gibt. Es müssten auch hier in Deutschland Attentate wie in Israel stattfinden. Israel muss raus aus ganz Palästina, nicht nur aus Gaza und Westjordanland.“ Einige Jugendliche nicken, andere widersprechen. „Wir leben hier schon seit Jahren friedlich miteinander, aber die Deutschen müssen endlich mehr Druck auf Israel ausüben.“

Es sind nicht die nachdenklichen Töne, die auf dieser Demonstration dominieren, das zeigen allein schon die Parolen. Aber es ist auch keine ausgesprochen aggresive Stimmung zu bemerken. Eher scheint es so, als würden die schließlich etwa 5.000 Palästinenser die Öffentlichkeit des Ostermarsches nutzen, weil sie hoffen, dass ihnen auf dieser Demonstration mehr Aufmerksamkeit zuteil wird als auf den Palästinsenerdemos einige Tage zuvor. Doch der Beifall und der Zuspruch für die Parolen sind auch ein Hinweis auf die Stimmung unter den Palästinsensern. „Die Besatzung löst nicht das Problem“, sagt einer, „die Besatzung ist das Problem.“

Positive Bilanz

Neben der Lage im Nahen Osten gingen die anderen Themen des gestrigen Ostermarschs fast etwas unter. So forderten einige irakische Demonstranten die „Aufhebung der Wirtschaftsblockade gegen das irakische Volk“. Andere Teilnehmer warnten vor einem Angriff der USA auf Korea. Mit auf der Demo waren auch ein kleiner Block der Globalisierungsgegner von Attac sowie eine Gruppe, die sich mit ihrem Transparent beinahe stoisch an den Rand der Demonstration gestellt hatte. Auf dem Tuch stand lediglich „Tucholsky!“.

Angesichts der hohen Teilnehmerzahl sagte gestern Laura von Wimmersperg von der Berliner Friedenskoordination: „Je größer die Gefahr, desto bedeutender ist unsere Bewegung.“ Allerdings seien die Zeiten so gefährlich, dass eigentlich noch mehr Menschen hätten kommen müssen. Im vergangenen Jahr waren zum Ostermarsch der Friedensbewegung in Berlin tausend Teilnehmer gekommen.

Das bundesweite Ostermarschbüro in Frankfurt am Main sprach angesichts der zahlreichen Ostermärsche in deutschen Städten unterdessen von einer lebendigen Protestbewegung und verwies auf eine stärkere Beteiligung vor allem junger Menschen. Zudem seien zu den seit Jahren arbeitenden Basisgruppen viele neue Friedensinitiativen kurzfristig hinzugekommen.

Auch das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn zog eine „sehr positive Bilanz“ der Aktionen und sprach von einer sich neu formierenden Bewegung gegen die derzeitigen und die noch drohenden Kriege. Damit sei das Image einer unattraktiven Veteranenbewegung abgestreift worden.