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der homosexuelle mann ... von ELMAR KRAUSHAAR

… ist Internationalist. Schon wegen seiner Veranlagung. Gern schaut er über den Tellerrand, bleibt dabei jedoch stramm konservativ. Schließlich sucht er jenseits der Grenzen doch nur das eine. Das Drumherum interessiert ihn dabei überhaupt nicht, alles muss nur so sein wie zu Haus – der Darkroom genau so dunkel, die Präser ebenso sicher, und die Zigarette danach ist sowieso international. Schaut der homosexuelle Mann sich in fremden Ländern nach Männern um, geht es um dasselbe und ein bisschen Abwechslung, sonst nichts.

Derzeit der große Renner im schwulen Pornogeschäft sind Männer aus dem Osten: aus Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Russland und – ganz top – aus Sibirien. Junge Männer, kräftige Männer, möglichst heterosexueller Ausstrahlung. Für die Produktion sind die Hengstdarsteller superbillig, beim Konsum haben sie den Anschein, alles wäre wie beim ersten Mal.

Natürlich kennen die Jungs von drüben inzwischen ihren Schmelz und die Marktwirtschaft. Im Internet bieten sie ihre Dienste an, laden herzlich die Freunde ein – auf ein durchorganisiertes Reiseabenteuer, vom ersten Seufzer bis zum wehmütigen Goodbye. Wie das „Gay Kiev-Team“ („Ukrainian Capital Welcomes You!“). Die Cleveren aus der Ukraine sind besonders umsichtig und schalten bei ihrem Angebot gleich die Konkurrenz aus: „Our Black List tells you bout those guys who will rob you of all your money instead make love for money“. Auf Extraseiten warnen sie in drei Sprachen vor Aleksander, Oleg oder Denis, den „Kiewer Gay Nutten“, mit Fotos und bösem Tratsch. Vor denen sollen sich nämlich die potenten Gäste aus dem Westen in Acht nehmen: „Oleg verspricht Ihnen Liebe bis Ende des Lebens, nimmt das Geld weg und selbst ist nachdem auch weg.“

Ungeachtet der materiellen oder sonstigen Not, die die jungen Männer zu ihren Geschäften treibt, tun die Homos hierzulande viel dafür, dass alles so bleibt. Die quietschbunten Magazine sind voll mit Bildern als Anreiz für die kleine oder größere Fernreise. Gern geht es in diesem Jahr auch nach Kuba, runtergekommen genug ist dieses Land, dass es für ein paar leckere Schnäppchen reicht. „Trotz Ruß und Insektiziden, trotz Armut sind die Menschen hier von umwerfender Schönheit“, lockt Berlins Stadtmagazin Sergej. Und Männer Aktuell, nach einem Relaunch jetzt dumm wie nie, rührt die Werbetrommel in billiger Wichsprosa: „Nirgendwo fängt sich das Licht in so warmen Farben wie auf kubanischer Haut“, oder: „Blumen im Asphalt. Havannas junge Rebellen sind feurige Verführer.“

Tilla hieß sie, eine militante Tunte im Berlin der Siebzigerjahre. Ganz allein demonstrierte sie einst mit selbst gefertigten Flugblättern und einem rosa Winkel am Revers auf der Tourismus-Ausstellung ITB unterm Funkturm, gegen die Verfolgung von Homosexuellen in Spanien und auf Kuba. In diesem Jahr gab es auf der Internationalen Tourismusbörse einen eigenen Homo-Stand, die „Gay & Lesbian Travel Expo“. Mit chicen Angeboten, überallhin.

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