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Kindischer Strukturkonservatismus

■ Jetzt mit Nachwuchs und mit noch heftigeren Spitzen: Der dichtende Titanic-Redakteur Thomas Gsella ist am Freitag zu Gast im Toten Salon

Sagen Sie, was Sie wollen, dies wäre der einzig wahre Titel für die ultimative Ernst-Jünger-Biografie. „Kille kuckuck dideldei“! Als Unterzeile wäre vielleicht „Mit Alete im Schützengraben“ angebracht. Doch das sind ungelegte Eier. Und um nicht des fortgesetzten Plagiarismus geziehen zu werden und gänzlich in illegale Gefilde abzurutschen, sei der Urheber dieses Titels sogleich preisgegeben. Es ist Thomas Gsella. Der arbeitet schon fast solange bei der Titanic, wie Deutschland einig Vaterland ist. Darüber hinaus lebt er seit drei Jahren als Vater in Essen. Grundsätzliches zu letztgenanntem Lebensbereich tut er in seinem aktuellen Gedichtband kund, in dem er beispielsweise dem titelgebenden Niedlichkeitsangriff ein eher abgeklärtes „Grüezi, Fötus, bald wirst du geboren“ voranstellt.

Inmitten seiner Kollegen Henschel und Wieland, die den Dampfer der guten Laune zielsicher durch mancherlei Tief und Untief steuern, wird der liebenswerte Herr Gsella vermutlich eine gute Figur machen. Ob er uns „Materialien zur Kritik Leonardo DiCaprios“ an die Hand gibt oder aus „So werde ich Heribert Faßbender“ vorträgt. Ob er erklärt, warum ausgerechnet Eltern Kinder kriegen – stets wird uns das freundliche Lächeln des Dreiundvierzigjährigen über sämtliche Unwägbarkeiten hinweghelfen. Wenn nicht, stellen wir ihn uns schlicht beim Windelwechsel vor.

Vielleicht folgt Herr Gsella auch hier der klassischen Variante; so tut er jedenfalls, wenn er poetisch zu Werke geht. Mindestens das hat er mit dem Überlyriker der letzten bis übernächsten Frankfurter Schule, einem gewissen Herrn Gernhardt, gemein. Wirklich gemein allerdings ist es, aus dieser strukturellen Ähnlichkeit einen Satz wie den folgenden zu meißeln: „Wer Robert Gern hardt, dem wird auch Thomas G. fallen.“ Wieso fallen? Ist der G-Punkt nicht ein leidlich entschlüsselter patriarchaler Mythos? Seien wir ehrlich: Das stimmt doch hinten wie vorn nicht. Und wenn solch Sprachgetüm irgendwo fällt, dann höchstens in der Gedankenwelt eines Ironieazubis in, sagen wir: Düsseldorf. Und hernach doch bitte sehr der monatlichen Humorkritik des amtlichen deutschen Nachrichtenmagazins anheim. In unmittelbarer Nähe zu dieser Rubrik hat Herr Gsella übrigens auch – und ein für alle Male – den Zusammenhang von groß angelegter Finanzkriminalität und libidinöser Haushaltslage zu Tage gefördert: „Vor langer, langer Zeit, da lebten einmal zwei Direktoren der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, die aber hießen Soll und Haben und hatten sich sehr lieb. Und so geschah es, dass Haben oft im Soll war; wie auch umgekehrt...“ Da soll noch mal einer sagen, unsere Landsleute von Flensburg bis zur Zugspitze hätten die Ironie mit dem Sieb gefressen. Oder sind diese drei am Ende gar keine aufrechten Deutschen? Hören Sie sich das mal an. N Abend allerseits!

Tim Schomacker

Thomas Gsella nimmt im Toten Salon zwischen Gerhard Henschel und Rayk Wieland Platz. Und zwar am Freitag, 19. April um 20 Uhr auf dem Magazinboden des Schlachthof.

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