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Epochenbilder in Tönen

Die Veranstaltungsreihe „Denkmal Hörspiel“ bringt historische Hörspiele an ungewöhnlichen Orten zur Aufführung: Am Donnerstag „Der Tod des James Dean“, Alfred Anderschs Funkmontage von 1959 im Flughafen Tempelhof

Die Idee ist so schlicht wie originell: Hörspiele liegen im Trend und die Musealisierung des öffentlichen Raumes schreitet in großen Schritten voran. Warum also nicht das Hörspiel als Denkmal begreifen – beziehungsweise erhören – und an architekturhistorisch bedeutsamen Orten zur Aufführung bringen? Denkmal Hörspiel heißt die von Moritz von Rappard konzipierte und in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung durchgeführte Veranstaltungsreihe, die jeden Monat im Wechsel ein Hörspiel aus DDR und BRD in ungewöhnlichem Ambiente präsentiert.

Ursprünglich für das ganze Jahr geplant, wird sie wohl aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten voraussichtlich nur bis Juni dauern. Das ist schade, enthält diese Idee doch, indem sie Hördokument und Denkmalort zusammenbringt, genau das richtige Maß an Beliebigkeit, das Raum für die schönsten Assoziationen lässt und den Besucher auf ungeahnte Parallelen stößt.

Im März gab es „Die Reiherjäger“ von Günther Weisenborn von 1932 in einer DDR-Inzenierung von 1957, und zwar im ästhetisch überzeugenden kleinen Revuesaal des Friedrichstadtpalastes, dem man die behauptete Anlehnung an Weimarer Kabaretttraditionen ohne weiteres abnimmt. In solcher Umgebung hörte man gern von den folgenreichen Begehrlichkeiten, die eine telegrafische Order über 1.000 Reiherfedern – für ein Pariser Modehaus – in einem brasilianischen Urwalddorf auslöste. Ein böser reicher Kaufmann, eine Sängerin, die gern ein neues Kleid hätte, und eine archaische Männerfreundschaft – wenn die schöne Sängerin am Ende ihr Lied anstimmt, nachdem ihr Kuss die Freundschaft der beiden Urwaldjäger zur Todfeindschaft werden ließ, konnte einen nur das Zischen vom Nebentisch davon abhalten, die Holzscheibe aus der Mitte des Tisches zu reißen, den drunterliegenden Kübel mit Eis auffüllen und Champagner kommen zu lassen, um auf die Freundschaft zu trinken und das kapitalistische Konkurrenzdenken und die Frauen zu verfluchen.

Um Männer und tragisches Sterben geht es ebenfalls morgen Abend im Flughafen Tempelhof. Der Tod des James Dean lautet der Titel der Funkmontage von 1959, in der Alfred Andersch mit Reportagen, Gedichten und Musik featureartig das Bild der Epoche zu zeichnen versucht, die Dean als Idol einer ganzen Generation repräsentierte. Ein Text des Schriftstellers John Dos Passos über den jungen Toten, der noch immer, „jung und finster, durch die Schlagzeilen geistert“, Ikone einer Jugend, die angeekelt vom Sekuritätsdenken auf der Suche nach „der Aura, dem Glanz des Lebens“ ist.

Dann ein leerer Boxring, inmitten der Bretter ein matter, frischer Blutfleck. Hier wird kurz darauf in dem Bericht des Journalisten Robert Lowry „Sugar“ Ray Robinson den Stier Jake La Motta blutig und schließlich zu Boden schlagen. Der Mittelgewichtsweltmeisterkampf von 1951 und dann Allen Ginsberg in Ausschnitten aus dem Gedicht „Geheul“ über die besten Köpfe seiner beat generation „vom Wahn zerstört hungrig hysterisch nackt“, die in ihren selbstzerstörerischen Eskapaden vor die Hunde gehen.

Cool das alles. Oder „rauh“, wie die entsprechende deutsche Übersetzung in den Fünfzigerjahren lautete.

James Dean rast mit 180 Kilometern zum Rennen und in den Tod und Robinson siegt: 1. weil, so Lowry, im klassischen Zweikampf der schmächtige, behände Mann von einnehmendem Äußeren immer über ein hässliches Ungestüm siege und 2. weil er als echter Boxer seinen Kopf gebraucht habe.

„Wo hatte James Dean seinen Kopf?“ fragt der Sprecher, während bei Ginsberg jemand aufersteht, „im Geistergewand des Jazz“, und zu alldem bläst Miles Davis seine Trompete. Männlich-verhaltener Kitsch in monumentaler Kulisse? Amerikanisches Pathos, von Andersch grandios montiert vor natursteinverkleidetem deutschem Betonbombast? Wer hört, wird sehen.

CARSTEN WÜRMANN

Donnerstag, 18. 4., 20 Uhr im Flughafen Tempelhof, Platz der Luftbrücke

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