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Erdbeere mit Schnurrbart

Früher war alles besser – zumindest gab es schönere Geschenke an Führers Geburtstag

„Edeltannenduft bitten wir im Arbeitszimmer unseres einzigen Führers zu verspritzen“

Heute ist Führers Geburtstag, und das junge Glatzenpack wird wieder eine Menge Dosenbier auf Adolf Hitler trinken und an diversen Orten den Arm für ihn hochreißen. Verwunderlich ist das nicht in einem Land, in dem manch kerniger Rentner von nebenan immer noch ein unbestrafter Mörder von damals sein kann. Und wenn es heute nur bei der Präsentation der eigenen Schäbigkeit bliebe, könnte man das feiernde Pack einfach auslachen, denn der Kult um Hitler war schon zu Lebzeiten des geifernden Hampelmanns von nicht zu überbietender Lächerlichkeit.

Am 7. April 1933 schreibt der Standesbeamte Düsseldorf-Ost an die NSDAP-Gauleitung Düsseldorf: „Heute erschien … ein Parteigenosse, der die Geburt seiner Tochter anmeldete und dem Kinde den Vornamen Hitlerine beilegen wollte … Ich habe daraufhin die Eintragung dieses Namens abgelehnt und dem Parteigenossen nahegelegt, dem Mädchen den Vornamen Adolfine zu geben, womit er sich auch einverstanden erklärt hat.“ An Hitlers Geburtstag 1933 bringt Konditor Bruno Utasch eine „Adolf-Hitler-Torte“ auf den Markt, andere pflanzen Hitler-Eichen, fertigen Hitler-Patentschuhe an, eröffnen Hitler-Schulen und weihen evangelische Hitlerkirchenglocken ein. Blumenzüchter fragen an, ob sie eine neue Rosenart „Hitler-Rose“ nennen dürfen. Landauf, landab überbieten sich die Deutschen.

Ab Juli 1933 verbietet die Reichskanzlei schließlich den wild begeisterten Eltern, ihren Töchtern die Vornamen „Hitlerine“, „Hitlerike“ oder, besonders apart, „Stahlhelmine“ zu geben. Was das irre gewordene Volk aber nicht davon abhält, sich auf anderen Gebieten zu betätigen. So schickt der Hoteldiener Ernst Selbach eine Geige an Hitler und schreibt: „Es ist mir gelungen, nach langer Arbeit eine Geige herzustellen … Alles Handarbeit, sämtliche Verzierungen sind aus Elfenbein und Ebenholz eingelegt. 245 Stück Hakenkreuze aus Elfenbein sind an Decke und Boden eingelegt … So Gott will, werde ich die Geige bei meinem Führer einstmal spielen hören.“

Auch Gärtnermeister Bruno Koch bleibt nicht untätig: „In großer Verehrung für den Herrn Reichskanzler bitte ich sehr, diese Neuzüchtung Hitlererdbeere nennen zu dürfen. Wir haben bereits eine Erdbeere Hindenburg.“ Selbst Hunde werden an den Tierfreund Hitler geschickt, doch trendmäßig liegen selbstverständlich die Frisöre vorn: Ein „Haargemälde“ des Frisörs Siegfried Osond wiegt 19,5 Kilogramm und zeigt „das Hackenkreuz (!), ganz aus Haaren, jedes einzelne Passee auf Seidengasze geknüpft“.

Der Verein Deutscher Teichwirte sendet lieber einen Karpfen an die Reichskanzlei. Einen handgeknüpften Teppich des Ehepaars Kornfeld will Hitler jedoch erst annehmen, „wenn die Zweifel über die arische Abstammung beseitigt sind, zu denen der Name Kornfeld Veranlassung gibt“. Dafür ist der Teppich der Deutschen Arbeitsfront Hameln erwünscht, in den „die altbekannte Rattenfängersage hineingewebt“ wurde. Der Oberrattenfänger nimmt’s mit Dank. Vogelhäuschen treffen ein, die Gemeinde Brotterode will eine „Adolf-Hitler-Quelle“ sprudeln lassen und Erna Boltze schickt „unserem einzigen Führer“ ein „Thüringer-Coniferol-Fichtennadel-Extrakt-Bad“ und merkt an: „Edeltannenduft bitten wir im Arbeitszimmer unseres einzigen Führers zu verspritzen und das Reisig vom Thüringer Wald in Vasen aufzustellen.“

An Durchgeknalltheit, das beweisen die zahlreichen Dokumente, die ein faktenreiches Buch über „Die Rückseite des Hakenkreuzes“ von Beatrice und Helmut Heiber versammelt, standen die Deutschen ihrem Anführer in nichts nach. Zum 50. Geburtstag Adolf Hitlers 1939 hagelt es holprige Gedichte, handgeschmiedete Glücks-Hufeisen, selbst komponierte Märsche, und auch die „Unterbringung eines Stammes Hühner“, welche die Reichsfachgruppe Ausstellungsgeflügelzüchter „dem Führer als Geburtstagsgeschenk überreichen will“, muss geklärt werden.

„Immer wird Deine Gerda bei Dir sein, mein Wolf“, schreibt die Berlinerin Gerda R. im Jahr 1940 an Hitler. „Es ist ein unbegreifliches Wunder, mein süßester Mann, wie Du alle Menschen so zur Liebe zwingst, ohne irgendeine sichtbare Gewalt.“ Und während Mahatma Hitler die Welt völlig ohne sichtbare Gewalt zur Liebe zwingt, schickt Martha Barvicius aus Wien 1944 die Locken ihres gewaltfrei erschossenen Sohnes: „Jetzt habe ich nur noch einen einzigen Menschen auf der Welt: meinen Führer. Ihm darf nichts geschehen.“

Noch im Januar 1945 will der junge Fritz Spannenberg wissen: „Warum dürfen die Jungens, die siebzehn Jahre alt sind und das Vaterland an der Front verteidigen nicht in den Film … Bitte Antwort.“ Die kam dann nicht mehr. Hitler schoss sich die Erdbeere weg. Zurück blieben Karpfen, Hakenkreuzgeige und Fichtennadelbad – und die vielen Mitschenker. Auf das größte Geburtstagskind aller Zeiten werden ihre Erben heute an irgendeiner Tankstelle trinken. Voller Stolz, Deutsche zu sein.

MATTHIAS THIEME

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