: Helm auf zum nächsten Gefecht!
Nach ihrem Debakel in Sachsen-Anhalt setzt die SPD im Bund nur noch auf eine Parole: Volle Pulle gegen Stoiber. Doch der fürchtet sich jetzt nicht mehr
von ULRIKE HERRMANN, JENS KÖNIG und PATRIK SCHWARZ
Peter Struck gebrauchte an diesem Abend das schönste Bild, um die Niederlage seiner Partei zu analysieren, um nicht zu sagen schönzureden. Die Wähler in Sachsen-Anhalt hätten auf Flugsand gestanden, sagte der SPD-Fraktionschef im Bundestag, die Wähler im Bund stünden auf festem Boden.
Mit eindringlichen Metaphern hat es Struck ja sonst nicht so, aber dieses sprachliche Bild enthielt das gesamte Arsenal an Argumenten, mit der die Sozialdemokraten ihrer Niederlage in Magdeburg mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst zu entkommen versuchen. Dazu gehört auch, die Schlappe in Sachsen-Anhalt zumindest einzuräumen. Ein „dramatisch schlechtes Ergebnis“, sei es, sagte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. Aber dann begann auch schon die Flucht nach vorn. Erstens: Der Ostwähler ist unberechenbar. Die „kaum vorhandene Parteienbindung“ verursache große Schwankungen in den Wahlergebnissen, so Müntefering, so als seien diese Schwankungen Ergebnis von Naturkatastrophen. Zweitens: Die SPD habe auch ein so schlechtes Ergebnis, weil die Wahlbeteiligung so gering sei. Und drittens: Die Tolerierung der SPD durch die PDS war zumindest in den letzten vier Jahren falsch, so Müntefering, weil die PDS dadurch Regierung und Opposition gleichzeitig spielen konnte.
Aber das war’s dann auch schon mit der Fehlerbetrachtung in der SPD-Parteizentrale. Viel wichtiger war den Strategen Müntefering und Struck, die Niederlage von ihrem Chef fern zu halten. Sachsen-Anhalt ist nicht der Bund, sagte Struck. Höppner ist nicht Schröder, sagte Müntefering. Die Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden in Ostdeutschland dürfte in der SPD eine Feinjustierung ihrer Wahlkampfstrategie für die Bundestagswahl im Herbst sein. Ab jetzt heißt es ganz simpel: Volle Pulle gegen Stoiber! „Der Helm wird fester angezogen“, sagte Müntefering. „Was jetzt kommt, ist ein Wahlkampf und kein Wahlspaziergang.“
Struck gab offen zu, dass Stoiber stärker als bisher als Westpolitiker dargestellt werden solle, der mit den Osten nichts am Hut habe, sondern als bayerischer Ministerpräsident nur egoistische Interessen für sein Land verfolgt habe. Außerdem müsse sich Stoiber dem Kanzler endlich im Bundestag stellen. Bisher habe er sich nur versteckt, meinte der SPD-Fraktionschef. Müntefering definierte die Popularität des Unions-Kanzlerkanidaten mit seinen eigenen, einfachen Worten: „Wenn Stoiber in Sachsen-Anhalt angetreten wäre, hätte die CDU nicht so gut abgeschnitten.“
„Magdeburg ist Magdeburg“, sagte auch Grünen-Chef Fritz Kuhn, denn die Grünen haben verloren und wollen also so wenig wie die SPD Parallelen zur Bundestagswahl ziehen. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sah das ganz anders, denn Meyer gehörte zu den Siegern des Abends. Nicht nur für den örtlichen CDU-Kandidaten Wolfgang Böhmer ist das Wahlergebnis ein Erfolg, sondern auch für die Bundes-CDU. Und Angela Merkel. Und Edmund Stoiber. Vor allem für Edmund Stoiber. Sagt Meyer immer wieder. Ihm ist die Erleichterung anzumerken, dass das schwierige Doppel an der Spitze der Union endlich eine gemeinsame Bewährungsprobe bestanden hat. Elf Mal war der Bayer im Wahlkampf vor Ort, neun Mal Angela Merkel, streuen Unionsmitarbeiter, und auch der Bundeskanzler habe sich engagiert wie nie. „Die Botschaft ist: Schröder zieht nicht mehr“, resümiert Meyer. Mag der SPD-Chef den Helm aufziehen, so fest er will, seit Magdeburg hat die Union kein Problem mehr mit einem Zweikampf der Spitzenkandidaten. Gab es da nicht letzte Woche noch innerparteiliches Gegrummel über Stoiber, der angeblich zu zahm sei? „Ich denke“, sagt eine Merkel-Vertraute ganz gelassen, „das hat sich relativ erledigt.“
Auch ein anderer Wahlsieger teilte an diesem Abend genüsslich aus: FDP-Chef Guido Westerwelle. Die Parteizentrale in Berlin war mit einer aufblasbaren 18 geschmückt, natürlich in Blaugelb. Das war Programm. Der SPD diente sich Westerwelle als einzig denkbarer Koalitionspartner auf Bundesebene an: Die Sozialdemokraten hätten ja nun erlebt, was passiere, wenn sie mit Grünen und PDS zusammenarbeiten. Die beiden ungeliebten Konkurrenten stufte Westerwelle ansonsten zu „Regionalparteien“ herab und prognostizierte erfreut, dass die Grünen „mit der 5-Prozent-Hürde mehr Schwierigkeiten haben werden als die FDP mit der 18-Prozent-Hürde“.
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