piwik no script img

ich bin ein opfer! ein frauenschicksal von WIGLAF DROSTE

Auf die Frage eines Spiegel-Interviewers, ob er ernst genommen werden wolle, antwortete David Bowie einmal: Er wolle genommen werden, vier mal am Tag, von seiner Frau. Das ist doch mal ein vernünftiger Mann, dachte ich bei mir: Die Absonderungen des Feuilletons kann man getrost vernachlässigen, Nehmen aber und Genommenwerden sind so selig wie das Geben.

Was dem Leben Süße gibt und Wonne, das ist gut. Genommenwerden gilt landläufig als weiblich. Als ich diskussionale Scherereien über das Thema satt hatte, erklärte ich rundheraus: „Ich bin ein Frau.“ Beziehungsweise formulierte ich mit Schläue und einem etwas leidenden Unterton: „Die Gesellschaft hat mich auf meine Frauenrolle festgenagelt.“ Es klang ein bisschen wie: „Ich wurde auf ein Diaphragma festgenagelt.“

So geschah es. Ich stand am Herd, briet ein kleines Schwein in Butter und Schalotten, löschte mit Tempranillo ab und hatte damit beide Hände voll zu tun. Von hinten wurde mir an den Hintern gegriffen, selbstverständlich, Besitz ergreifend, fordernd, und ebenso zielstrebig wie kundig tasteten Fingerkuppen nach meiner Brust. Eine ganze Frauenlandschaft tat sich auf in mir. Tagsüber dichten für Wohnung, Bett und alles, dazu die Einkäufe, die Wäsche, das Kochen – ich war eine klassische Mehrfachbelastung! Ja, sicher, ich hätte mich wehren können, „Nein!“ sagen und ein kämpferisches „No means No!“ hinterherschieben, aber dann dachte ich: Ach, wenn sie doch so gern möchte … ich habe ja weiß Gott anderes zu tun, aber ihr macht es Freude. „Also gut, Schatz“, seufzte ich, denn „Schatz“ ist, außer „Scha-hatz!“, das Heimtückischste, das man sich privat sagen kann (auch wenn Millionen Deutsche das nicht ahnen oder wissen und sich deshalb Gewalt antun, Tag für Tag, immer wieder).

„Mutter ist Kummer gewöhnt“, ächzte ich noch, aber auch dieser keineswegs undeutliche Hinweis führte bei meiner „Partnerin“, wie man in den Siebzigerjahren gesagt hätte, zu einer „Sensibilisierung“ (wie es in den Achtzigern dann geheißen hätte). Zwar bin ich ein entschiedener Gegner der Todesstrafe – wer aber jemanden, den er angeblich „liebt“, dennoch „Partnerin“ oder „Partner“ nennt, dem möge ein gnädiges 16-Tonnen-Gewicht aus einer Welt heraushelfen, mit der er oder sie ohnehin nichts Erfreuliches anzufangen weiß.

Mich ergeben war alles. „Beine breit und an Deutschland denken!“, orgelte ich final, verkniff mir den zweiten Teil dieses Vorsatzes aber sofort. Warum Elend in den Kopf lassen, wenn man es doch gerade schön hat zu zweien oder, genauer, wenn einer von beiden es gerade schön hat?

Das Tröstliche am Sex ist: Er geht vorbei. Manchmal sogar erstaunlich maggifix. So schlimm ist das gar nicht, das hält man schon aus. Hinterher machte ich den Abwasch, hörte die beruhigenden Schlafgeräusche aus dem Bett, steckte mir ein Zigarettchen in den Kopf, trank noch ein schönes Glas Wein und sagte mit bierwagenbreitem Grinsen zu mir selbst: Ich bin eine Frau, ich bin ein Opfer. Geht es mir nicht gut?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen