■ Ihr Penner!: Grüne Jugend will erst um 9
Dass der frühe Unterrichtsbeginn eine Qual ist, haben viele SchülerInnen schon immer geahnt. Seit neuestem kann diese Überzeugung auch wissenschaftlich untermauert werden. „Die Ergebnisse von Schlafforschern belegen, dass der Biorhythmus von Jugendlichen anders ist“, betont die Grüne Jugend in Bremen. Und: „Sie sind später müde und später wach.“
Die logische Konsequenz dieser Erkenntnis: die Initiative „Schule um 9“, mit der die Grüne Jugend einen späteren Unterrichtsbeginn in Bremen und Bremerhaven durchsetzen will. An vier Schulen wurde deshalb eine Umfrage durchgeführt, die zeigen soll, wie die SchülerInnen zum Thema stehen. Nicht sehr überraschend: 90 Prozent sind für den Schulstart um neun Uhr, jedenfalls an der Schule am Leibnizplatz. Eltern und Lehrer wird es freuen, dass immerhin über die Hälfte der Befragten außerdem bereit wäre, zum Ausgleich nachmittags eine Stunde länger zu bleiben.
Die InitiatorInnen bringen gute Gründe für ihre Kampagne vor. „Der Schulbeginn um acht Uhr ist völlig unsinnig“, sagt Sprecherin Kathleen Welvers, „das widerspricht dem Lebensrhythmus von jungen Leuten.“ Denn der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley hat nachgewiesen, dass der Organismus von Jugendlichen zwischen halb sieben und sieben Uhr auf seinem absoluten Tiefpunkt angelangt sei. Diese Tatsache zu ignorieren bezeichnet der Wissenschaftler als „Vergewaltigung der inneren Uhr“. Da ist es wenig erstaunlich, dass rund achtzig Prozent der SchülerInnen am Leibnizplatz sich unausgeschlafen fühlen.
Die innere Uhr von Jugendlichen tickt anders als die der Erwachsenen. Mit einem Schul-start um acht Uhr müssen sie ihr letztes Schlafviertel vor sieben Uhr unterbrechen. Dabei wird in dieser Schlafphase das Gedächtnis trainiert, meint der Mediziner Till Roenneberg aus München. Das Aufmerksamkeitsvermögen eines Jugendlichen entspreche zu dieser Tageszeit dem eines stark alkoholisierten Erwachsenen.
„Das Hauptproblem ist, morgens die volle Leistungsfähigkeit zu erbringen“, sagt Florian Prübusch. In der ersten Schulstunde werde normalerweise nicht viel gesprochen und Arbeiten zu dieser Tageszeit seien unmöglich, ergänzt der 18-Jährige. Kathleen Welvers sieht durchaus einen Zusammenhang zwischen frühem Austehen und der PISA-Studie. Sie verweist auf Länder wie Großbritannien und Frankreich, in denen die Schule später beginne und die Leistungen der SchülerInnen deshalb besser seien. Dies sei von WissenschaftlerInnen bestätigt worden. Neun bis zehn Stunden Schlaf benötigen Jugendliche nach Expertenmeinung. Und auf die kommt natürlich kein Schüler, der nicht vor zehn Uhr schlafen kann.
Aber das ist nicht alles. Denn so früh am Morgen sind viele Jugendliche appetitlos, unkonzentriert und träge. Das wiederum hat zur Folge, dass auch der Schulweg größere Gefahren in sich birgt.
Die LehrerInnen sind vorerst nicht nach ihrer Meinung zum Thema gefragt worden. Zu groß ist die Befürchtung, sie könnten nicht auf ihren frühzeitigen Feierabend verzichten wollen. Anne Reinert
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