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Süße Präzision

Österreichisch-amerikanische Freundschaft: Morgen machen Electro Cute im Bastard ihren Lollipop-Trash

Eigentlich hätte alles auch ganz anders kommen können. Als die Wienerin Mia Ender und Nicole Morier sich im letzten Sommer in einem Kreuzberger Café kennenlernten, hatten beide schon eine lange Reise hinter sich. Zum Beispiel Nicole: geboren in San Francisco, aufgewachsen in einem Indianerreservat, in einer Hütte in den Bergen. Schon mit fünf Jahren stand sie mit ihrem Daddy, einem Hippie-Musiker, auf der Bühne.

In Truck Stops, auf der Straße und in den Kirchen der Anonymen Alkoholiker singt die kleine Nicole in den Schulferien Songs von Joan Baez. Mit 16 lernt sie Gitarre. Als Stripperin in New Orleans lernt sie, sich zu schminken, trägt Perücken und die höchsten Absätze. Sie weiß jetzt, welche Macht ein junges Mädchen auf der Bühne haben kann. Über die Berliner Band Golden Showers, die sie während einer Amerikatournee trifft und bei denen sie kurze Zeit später als Bassistin einsteigt, lernt sie den Regisseur Oskar Roehler kennen, der ihr eine kleine Rolle in seinem Film „Gierig“ anbietet. Nicole fährt nach Berlin und bleibt.

Zum Beispiel Mia: Ihr Leben vor Electro Cute beschreibt sie als eine „Reise ohne Ziel“, Hauptsache weg. Weg aus der bürgerlichen Enge des Elternhauses. Sie experimentiert in der Wiener Elektroszene, singt ihre Texte zu Beats von Patrick Pulsinger. Aber nichts passiert. Mia zieht in die Berge Vorarlbergs, denkt, vielleicht könnte sie die Natur glücklich machen. Als sie es nicht mehr aushält, nimmt sie den Zug nach Wien, geht auf ein Konzert der Puppetmastaz und lernt dort einen Jungen aus Berlin kennen. Drei Wochen später sitzt sie im Kaffee neben Nicole. Die Mädchen verstehen sich. Nicole fragt Mia, ob sie mit ihr auf einer Party singen will.

Schon die erste Probe entpuppt sich als glückliche Fügung: „Auf einmal waren da all diese Songs. Mia hatte alle diese Texte im Kopf, und ich all diese Sounds“, erinnert sich Nicole. So entstehen ihre ersten Songs „I Love My Daddy“ oder „Car Bomb Derby“, in denen amerikanischer Gitarrenrock auf europäischen Elektropop trifft. Rock’n’Roll-Lollipop-Trash, zuckersüß und cool. Mia, die geniale Entertainerin, springt auf der Bühne umher wie ein wildgewordenes Püppchen, und Nicole, die Professionelle, bearbeitet ihre Gitarre mit gelassener Präzision. Ihre ersten Konzerte hinterlassen die Zuschauer fassungslos vor Begeisterung. Es ist eben selten, dass Mädchen, die so gut aussehen, so gut sind. DIANA WEIS

Am Sonntag, 12. 5., ab 22 Uhr, 1st Annual Rock ’n’ Roll Suicide Bash mit Elektro Cute, Boy from Brazil, The Subsonics (USA) im Bastard im Prater, Kastanienallee 7–9, Prenzlauer Berg

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