: Fürs Leben lernen ...
■ Todkranke Kinder und ihre Lehrer bekommen Unterstützung
Die Universität Oldenburg be-ackert Neuland in der Lehrerausbildung und -fortbildung. Es geht um schwerstkranke Kinder in der Schule. Um Kinder, die in absehbarer Zeit werden sterben müssen – und die damit nicht nur die pädagogische „für-das-Leben-lernen-wir“-Doktrin erschüttern, sondern LehrerInnen vielfach auch emotional mitnehmen.
„Bislang gibt es für solche Situationen nirgendwo professionelle Unterstützung oder Begleitung“, sagt der Oldenburger Heilpädagoge Sven Jennessen. „In der Lehrerausbildung ist das kein Thema.“ Jennessen ist Mitarbeiter eines Forschungsprojektes im Fach Körperbehindertenpädagogik an der Universität Oldenburg. Dort fördert das niedersächsische Wissenschaftsministerium ein mehrjähriges Forschungsvorhaben „zum pädagogischen Umgang mit Tod, Sterben und Trauer in der Schule“, unter der Leitung von Professorin Dr. Monika Ortmann.
Erstes Ziel der Arbeit ist es, die Situation der PädagogInnen an den Schulen genauer zu verstehen. LehrerInnen, Eltern, betroffene Kinder und MitschülerInnen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen sind Mittelpunkt der Studie. Dabei soll auch der Bedarf an professioneller Weiterbildung genauer ausgelotet werden.
Bereits jetzt arbeitet das Forschungsteam an einer Konzeption für Lehrerfortbildungen, die im Frühjahr bereits an insgesamt sechs Tagen erprobt wurden. „Wir hatten Lehrer aus den 14 Körperbehindertenschulen in Niedersachsen eingeladen“, sagt Sven Jennessen. Dieser Personenkreis sei auch die erste Zielgruppe von Befragungen gewesen. „An jeder der Schulen gab es einen, manchmal mehrere Fälle, die die Kollegien unterschiedlich stark beschäftigt haben“, sagt Jennessen. Doch die Körperbehindertenschulen bildeten nur einen Teil der Bestandsaufnahme. „Kinder mit progressiven Krankheiten wie Muskelerkrankungen mit tödlichem Ausgang oder Kinder mit Krebs gibt es an allen Schulen und in jeder Altersgruppe“, sagt Jennessen. Und überall sei die persönliche Betroffenheit und Hilflosigkeit ein gleichermaßen großes Problem – die Angst, das Kind oder die Eltern alleine zu lassen ebenso wie die, das Kind vielleicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. „Das ist eine Gratwanderung“, sagt Jennessen. Erschwerend wirke das Tabu, mit dem das Thema Sterben belegt sei.
„Ein wichtiger Bestandteil unserer Fortbildungen ist deshalb die persönliche Auseinandersetzung mit Tod und Sterben. Ein Lehrer, der Angst hat, darüber zu sprechen, wird Eltern eher kein guter Gesprächspartner sein“, weiß Jennessen. Auch müssten Seminarreihen erstellt werden, wie das Thema Sterben kindgerecht im Unterricht behandelt werden könne. Wobei LehrerInnen in den Fortbildungen auch Gelegenheit haben, über Grenzziehung zu reflektieren.
Eva Rhode
Im Herbst soll deshalb eine weitere Fortbildungsreihe stattfinden, zu der sich LehrerInnen aus Niedersachsen und Bremen anmelden können. Kontakt über monika.ortmann§uni-oldenburg.de oder sven.jennessen§uni-oldenburg.de
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