: Abfuhr für Diplomat
Nach Anschlag auf Militärsiedlung in Kaschmir fordert Indien Pakistan auf, Botschafter zurückzurufen. In Kaschmir sind tausende auf der Flucht
NEU-DELHI taz/dpa ■ Indien hat seinen Nachbarn Pakistan aufgefordert, seinen Botschafter in Delhi, Ashraf Jehangior Qazi, binnen einer Woche zurückzurufen. Der diplomatische Schritt, protokollarisch eine Stufe unter der Ausweisung als unerwünschte Person, ist ein weiteres Zeichen für die wachsende Irritation Delhis gegenüber seinem Intimfeind. Die Aufforderung steht in direktem Zusammenhang mit dem Anschlag auf eine Militär-Siedlung in Süd-Kaschmir am 14. Mai, der inzwischen 35 Menschenleben gefordert hat.
Islamabad hat den Entscheid Delhis bedauert und durch den Sprecher des Außenamtes ausrichten lassen, Pakistan werde seinen Gesandten zurückziehen, aber weiter auf eine Minderung der Spannungen hinarbeiten. Eine Retourkutsche ist nicht erforderlich, da in Islamabad zur Zeit kein indischer Botschafter residiert. Er war von seiner Regierung bereits infolge des Parlamentsattentats im letzten Dezember nach Delhi zurückgerufen worden.
Das diplomatische Warnsignal begleiten Artilleriesalven an der Front. Bei neuen Anschlägen auf zwei indische Armeestützpunkte in Kaschmir sind gestern zwei Soldaten getötet und mindestens sechs verletzt worden. Bereits am Wochenende waren bei Gefechten beiderseits der Teilungslinie zwölf Menschen ums Leben gekommen. Mörser und Granaten fielen auch auf Dörfer im Grenzgebiet, insbesondere in der dicht besiedelten Südregion von Jammu in Indien und Sialkot in Pakistan. Mehrere tausend Zivilisten sollen sich auf der Flucht befinden.
Trotz des Feuerlärms und des diplomatischen Getöses sind Beobachter in Delhi der Ansicht, dass sich die unmittelbare Gefahr eines neuen Krieges etwas verringert hat. Die Wegbeförderung des Botschafters sei nicht eine neue Drehung der Spirale, sondern eher ein Zeichen, dass Delhi offene Kriegshandlungen momentan vermeiden will. Auch die Feuergefechte gehören zum eingespielten Ritual gegenseitiger Nadelstiche. Allerdings lässt sich nicht übersehen, dass die Geschosse heute in einem Grenzstreifen landen, in dem eine Million Soldaten bereitstehen. BERNARD IMHASLY
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