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„Geburt ist ein gesunder Vorgang“

■ Das Zentralkrankenhaus Bremen-Nord bietet in einem „Eltern Zentrum“ Information und Hilfe an. Wir befragten dazu die Leiterin des Eltern Zentrums, die Hebamme Joanna Simm

taz: Das Angebot des „Eltern Zentrums“ sieht aus wie eine Reaktion auf die Kritik an der eher medizintechnischen Behandlung im Krankenhaus.

Joanna Simm: Eine Geburt ist keine Krankheit, sondern ein normaler, gesunder Vorgang. Die Krankenhäuser können zwar nicht die häusliche Atmosphäre ersetzen, versuchen aber eine Annährerung durch entsprechende Einrichtungen und eine individuelle Betreuung der Frauen. Das Eltern Zentrum ergänzt dieses Angebot und betont damit die Normalität einer Schwangerschaft und Geburt. Das Interesse an unseren Veranstaltungen hat mit den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun.

Was kann das Eltern Zentrum helfen?

Mit Hilfe vieler unterschiedlicher Berufsgruppen und einem erweiterten Spektrum von Angeboten helfen wir den Frauen und den Paaren, sich auf die neue Lebenssituation einzustimmen.

Sogar eine Psychologin ist mit Angeboten dabei.

Die gibt es in unserer Frauen- klinik schon lange. Sie begleitet die Frauen und Paare in schwierigen Situationen, zum Beispiel in unserer wöchentlichen Frühchengruppe. Sie ist aber in der gesamten Frauenklinik tätig.

Warum sagen die Krankenhäuser nicht: Die Hausgeburt ist der Normalfall, nur in komplizierten Fällen braucht frau den Kreißsaal?

Das ist keine Frage an die Krankenhäuser. Anfang der 80er Jahre gab es nur noch sehr wenige freie Hebammen, die in der Hausgeburtshilfe und Nachsorge tätig waren. Diese Arbeit war nicht sehr attraktiv, sie bedeutete Dienstbereitschaft rund um die Uhr und schlechte Bezahlung. Nach der Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen noch in den 60er Jahren wollten die Schwangeren mehr und mehr in die Krankenhäuser. In derselben Zeit hat sich die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus von sieben Tagen auf drei oder vier reduziert. 98 Prozent der Geburten finden heute in Krankenhäusern statt.

Wie viel Prozent der Geburten führen in Situationen, in denen ein Arzt dringend erforderlich ist?

Genaue Zahlen kann ich nicht sagen. Aber es gibt durch die medizinischen Fortschritte eine zunehmende Tendenz. Zum Beispiel durch die steigende Anzahl von Früh- und Mehrlingsgeburten.

In Bremerhaven soll es demnächst einen Hebammen-Kreißsaal geben, im Krankenhaus. Warum nicht in Bremen?

Das ZKH Reinkenheide war der Idee gegenüber aufgeschlossen. Dabei geht es darum, den regelrechten Geburts- vorgang zurückzugeben in die Hände der Hebamme. Und sollte ärztliche Hilfe nötig sein, kann sie umgehend erfolgen. Im europäischen Ausland gibt es gute Erfahrungen damit. Bei einer normalen Geburt sollte die Frau so wenig wie möglich gestört werden.

Der Arzt stört?

Nein, nicht so grundsätzlich. Er ist nicht nötig in solchen Fällen. Es geht darum, eine ruhige, ungestörte Atmosphäre zu schaffen. Und je mehr Menschen den Raum betreten, desto mehr Störugen geschehen. Bisher schreiben die Organisationsstrukturen der Krankenhäuser die Anwesenheit eines Ärztes bei jeder Geburt vor.

Also eine Hierarchiefrage?

Ja.

Wieso erlaubt das Krankenhaus in Bremerhaven, daß die Ärzte so entmachtet werden?

Diese Frage richtet sich an die dortige Klinik. Wir wünschen uns sehr, dass dieses Modellprojekt erfolgreich ist und Nachahmung findet. Fragen: K.W.

s.a. www.hebammenkreisssaal.de

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