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„Eigentlich sind das Milchverkäufer“

Gianni Giuseppetti schenkt den Berlinern seit 17 Jahren Kaffee ein – echten Kaffee, keine Milchplörre mit Haselnussaroma. Die taz erreichte ihn telefonisch auf einer Geschäftsreise in Budapest – für ein Krisengespräch

taz: Herr Giuseppetti, haben Sie Angst vor Starbucks?

Gianni Giuseppetti: So schlimm ist es nicht. Ich sehe die Neueröffnung gelassen. Noch Ende Januar haben wir in Neukölln mit Leuten von Starbucks aus London gesprochen. Sie boten uns an, die Kaffeemaschinen in ihren Filialen zu warten. Aber wir sind nicht ins Geschäft gekommen.

Warum nicht?

Ich wollte nicht. Als Kaffeeliebhaber habe ich bestimmte Vorstellungen, und die vertragen sich nicht mit der Massenabfertigung bei Starbucks.

Aber Sie könnten bestimmt eine Menge verdienen …

Hören Sie, ich verkaufe Kaffee. Und guter Kaffee, richtig guter Kaffee, ist so vielfältig wie Wein. Allein in Italien gibt es 800 Röstereien. Jede bietet mindestens 20 verschiedene Mischungen an. Starbucks hat ein ganz anderes Interesse als ich. Denen geht es darum, ihre Marke zu platzieren. Die machen in Amsterdam eine Rösterei auf und importieren eine eigene Mischung aus Zentralamerika. Warum soll ich mit denen zusammenarbeiten?

Fest steht: Ketten wie Starbucks oder Einstein treffen den Geschmack der Deutschen.

Natürlich, das sind pfiffige Geschäftsleute. Sie haben gelernt, ein Geschäft zu eröffnen und erfolgreich zu betreiben. Aber eigentlich sind das Milchverkäufer.

Milchverkäufer?

Sie verkaufen letztlich nichts anderes. Latte Macchiato, Caffè Latte, Cappuccino. Aber eine echte, extrahierte Tasse Kaffee? Gibt’s nicht. Sie werden bei Starbucks nie einen anständigen Caffè Creme bekommen, gut extrahiert, mit einem feinen Schaum.

Warum denn nicht?

Bei Caffè Creme werden etwa 9 Gramm Bohnen gemahlen, und zwar gröber als bei einem normalem Espresso. Die Mahlung muss stimmen. Und die Temperatur. Caffè Creme gelingt bei 88 bis 89 Grad Celsius, Espresso bei 92, 93 Grad. Das sind verschiedene Spezialitäten, die kann man nicht mit derselben Maschine herstellen.

Starbucks brüht mit modernsten Maschinen. Was kann da bei ganz normalem schwarzem Kaffee schief gehen?

Probieren Sie einmal, einen Caffè Creme zu bestellen. Sie werden Filterkaffee bekommen. Und dann wird dieses wunderbare Produkt Kaffee mit einem Kuhprodukt gemischt – mit Milch …

Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich …

… das ist stillos, ich hasse das. Diese Getränke sind eine Modeerscheinung – mit Kaffeekultur hat das nicht zu tun. Hauptsache, es treibt eine schöne Creme auf dem Kaffee.

Sieht doch auch nett aus.

Aber sie sagt nichts über die Qualität. Wenn wir Kastanien rösten und aufbrühen, gibt das auch eine dicke, braune Creme. Das haben die Neapolitaner vor zehn Jahren gemacht, einfach 30 Prozent Kastanienpulver in die Röstung gemischt. Und die Leute haben das nicht gemerkt!

Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich kaffeefremde Geschmacksrichtungen wie Haselnuss oder Karamell.

Das ist eine Vergewaltigung des Produkts. Wer schmeckt Nuancen, wenn sie mit Zucker und Aroma zugekleistert werden?

Die Ketten haben das Prinzip des „Kaffees zum Mitnehmen“ im Pappbecher eingeführt. Keine gute Idee?

Schon, bestreite ich ja gar nicht. Aber wollen Sie wissen, ob die Starbucks-Filialen in Deutschland Erfolg haben werden?

Werden sie?

Nein. Das deutsche Publikum ist anders als das amerikanische. Dort greifen sie jede Neuerung begeistert auf. Hier hoffentlich nicht. INTERVIEW: ULRICH SCHULTE

Gianni Giuseppetti betreibt mit seiner Frau Renate seit 1985 „Giuseppetti Kaffee“ am Hohenzollerndamm 111. Der Familienbetrieb führt Kaffeemaschinen, -mühlen und natürlich Mischungen der Sorten Arabica und Robusta, die in Belluno, Italien, geröstet werden.

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